Messtechnik und Fluoreszenz-Spektrometer für die Erforschung von Co-Kultur-Prozessen
Das globale Phänomen zunehmender Resistenzen von Krankheitserregern gegen etablierte Wirkstoffe stellt die Weltgemeinschaft aktuell vor ernst zu nehmende Herausforderungen. Es ist dringend erforderlich, innovative Wirkstoffe und Therapiekonzepte für die Behandlung von Infektionen mit multiresistenten Keimen zu entwickeln und in die Anwendung zu bringen. Eine der wichtigsten Quellen für neue Medikamente sind von Mikroorganismen gebildete Naturstoffe. Sie gelten als Mediatoren der biologischen Kommunikation, können aber auch zur Entstehung von Infektionskrankheiten beitragen. Somit eröffnen Kenntnisse über die mikrobielle Kommunikation und den daran beteiligten Naturstoffen neue Wege für die Entwicklung effektiver Wirkstoffe für die maßgeschneiderte Behandlung von Infektionen. Heutzutage benötigt man allerdings ein Vielfaches an Forschungszeit zur Entdeckung neuer Wirkstoffe als noch vor einigen Jahrzehnten. Herkömmliche Antibiotika wurden meist bei der Kultivierung einzelner Mikroorganismen entdeckt. Die dabei antimikrobiell wirkenden Stoffe setzen sich vornehmlich aus Substanzen zusammen, die Fressfeinde oder Nahrungskonkurrenten abwehren. Mikroorganismen sind in der Natur jedoch nicht isoliert anzutreffen und eine im Labor erzeugte Reinkultur ist weit entfernt von den Bedingungen im natürlichen Lebensraum. Daher ist anzunehmen, dass bisher entdeckte Antiinfektiva nur einen kleinen Teil des biosynthetischen Potenzials abbilden.
Eine vielversprechende Lösung scheint deswegen die Untersuchung von Mikroorganismen in ihrem natürlichen Kontext zu sein, zum Beispiel im Zusammenleben mit anderen Organismen des gleichen Habitats. Die sogenannte Co-Kultivierung ahmt natürliche Verhältnisse nach und kann die Produktion zuvor noch unbekannter Naturstoffe bewirken, die dann analysiert und weiter erforscht werden. So stellt die Co-Kultivierung eine wichtige potenzielle Quelle für neue Antibiotika dar.
Mikrobielle Co-Kulturen und die damit verbundenen Prozesse werden im Biotechnikum am Leibniz-HKI intensiv erforscht. Die Abteilung verfügt über multiskalare Kultivierungssysteme, in denen Ergebnisse der Grundlagenforschung in anwendungsbezogene Prozesse übertragen werden können.
Stabile Co-Kulturen aus mehreren Mikroorganismen-Arten, die sich nicht gegenseitig dominieren, sind unter Laborbedingungen bisher nur äußerst schwer herzustellen. Praktisch bedeutet dies, dass eine Optimierung oder gar Skalierung solcher Prozesse momentan noch nicht möglich ist. Beides wäre jedoch ein Durchbruch für eine kommerzielle und gesellschaftlich relevante Nutzung des Zusammenlebens von Kleinstlebewesen. Um dennoch stabile Co-Kulturen etablieren zu können, sind vor allem Messtechniken und -methoden erforderlich, die es ermöglichen, Ergebnisse aus der Grundlagenforschung in anwendungsorientierte und skalierungsfähige Bioprozesse zu übertragen. Hierfür müssen Messmethoden entwickelt werden, die das Wachstum aller in einer Co-Kultur enthaltenen Mikroorganismen in Echtzeit erfassen. Diese Informationen bieten die Basis, um einen künftigen Co-Kultur-Prozess kontrollieren, optimieren und skalieren zu können.
Damit wir bislang nicht kultivierbare mikrobielle Gemeinschaften in biotechnologische Prozesse überführen können, die neue, im besten Fall antiinfektive Wirkstoffe generieren, benötigen wir eine neue Geräteinfrastruktur: So ist neue Messtechnik für Schüttelinkubatoren notwendig, die an jedes bekannte Kultivierungssystem angeschlossen werden kann. Ein neues bildgebendes 2D-Fluoreszenzspektrometer erlaubt es zudem, die Bildung bestimmter Substanzen in der Co-Kultur in Echtzeit zu überwachen. Die neuen Geräte ermöglichen es uns damit, effektive biotechnologische Verfahren zu entwickeln. Mit ihrer Hilfe können wir künftig ausreichende Mengen an neuen Substanzen für die Entwicklungsforschung am Leibniz-HKI bereitstellen. Außerdem legen sie den Grundstein für spätere Anwendungen in der pharmazeutischen Industrie.