Das Doppelleben einer Mikrobe

Internationales Team ergründet die Wechselwirkung des Bakteriums Burkholderia gladioli

Von Monika Weiß

Das Bakterium Burkholderia gladioli führt ein seltsames Doppelleben: Als Antibiotikaproduzent beschützt es die Eier des Wollkäfers Lagria villosa und sorgt sich um dessen Nachkommen. Als Krankheitserreger hingegen breitet sich das Bakterium im Gewebe von Pflanzen aus und schädigt sie nachhaltig.

Das Team unter der Leitung von Martin Kaltenpoth von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz erforschte diese Wechselwirkung. Die Ergebnisse erschienen nun im internationalen Fachmagazin Nature Communications.

Schutz für die Käfernachkommen

Auf der feuchten Erde unter dem Laubstreu fühlen sich nicht nur die Eier des Wollkäfers wohl, der sie darauf ablegt. Auch gefährliche Pilzsporen tummeln sich in diesem Milieu. Doch die Eier des pflanzenfressenden Käfers sind durch lebensrettende Antibiotika bestens vor einer Pilzinfektion geschützt: Sie werden vom Helfer-Bakterium Burkholderia gladioli produziert, das in bestimmten Organen des Insekts lebt.
Erstautorin Laura Flórez beschreibt: „Sogar wenn wir Schimmelpilze direkt auf die Käfer-Eier auftrugen, blieben Eier, auf denen wir die symbiotischen Mikroben nachweisen konnten, pilzfrei, während Eier ohne Mikrobenschutz oftmals von einem ganzen Pilzrasen überwuchert wurden.“ Auch andere Insekten bekommen von symbiotischen Mikroorganismen Unterstützung bei der Verteidigung vor natürlichen Feinden. Doch der mikrobielle Schutz von Insekten im empfindlichen Ei-Stadium ist bislang kaum bekannt.

Gleich vier wirksame Substanzen

Bei der weiteren Untersuchung entdeckten die Forscher um Christian Hertweck, der die chemischen Analysen leitete, vier verschiedene Antibiotika. Dabei waren zwei Moleküle bisher noch nicht bekannt. „Uns hat besonders überrascht, dass wir eine chemische Substanz identifizieren konnten, die eher einem pflanzlichen Abwehrstoff als einem bakteriellen Antibiotikum ähnelt“, so Christian Hertweck, Lehrstuhlinhaber für Naturstoffchemie an der der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Leiter der Abteilung Biomolekulare Chemie am HKI.

Alle vier Stoffe hemmten das Wachstum anderer Mikroben, wie etwa Pilze aber auch Bakterien. Mit den Abwehrstoffen des Bakteriums Burkholderia gladioli scheinen die Wollkäfer-Eier entsprechend rundum geschützt.

Doch was des einen Freud, ist des anderen Leid

Bei einer Übertragung der Bakterien auf Pflanzen zeigt sich das Bakterium von einer anderen – der krankmachenden Seite. In einem Experiment reagierte eine infizierte Sojabohnenpflanze, der natürlichen Futterquelle des Wollkäfers, mit einer verminderten Bohnenproduktion. Dies führen die Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie und des HKI sowie der Universidad Estadual Paulista in Rio Claro, Brasilien auf die nahe Verwandtschaft der bakteriellen Helfer mit Krankheitserregern von Pflanzen zurück.

Große Bedeutung in der Antibiotikaforschung

Die Analyse von fünf weiteren Käfern ergab darüber hinaus, dass auch sie Stämme des Bakteriums Burkholderia gladioli enthielten. Allerdings waren die jeweiligen Käfer-Bakterien näher mit den Stämmen verwandt, die auf ihren Nahrungspflanzen vorkommen als mit den Stämmen der anderen Käfer. Daher gehen die Forscher davon aus, dass das Bakterium die Käfer zum Transport von Pflanze zu Pflanze nutzt.

Die zunehmenden Resistenzen von Krankheitserregern gegenüber herkömmlicher Antibiotika bestärkt die bedeutende Forschung an symbiotischen Partnerschaften. Sie sind wahre Fundgruben in der Antibiotika-Forschung: Denn immerhin ist Burkholderia gladioli in der Lage, gleich vier bioaktive Substanzen zu produzieren, von denen zwei bisher unbekannt waren.

Originalpublikation

Flórez LV, Scherlach K, Gaube P, Ross C, Sitte E, Hermes C, Rodrigues A, Hertweck C, Kaltenpoth M (2017) Antibiotic-producing symbionts dynamically transition between plant pathogenicity and insect defensive mutualism. Nature Communications, DOI: 10.1038/ncomms15172.

https://www.nature.com/articles/ncomms15172