Anerkennung aus dem Heimatland
Die Nachwuchswissenschaftlerin Qian Chen wird vom chinesischen Bildungsministerium geehrt
| von Thomas Mahler
„Ich suche die Herausforderung.“ Mit ihrer Tätigkeit am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI) hat die Biologin Qian Chen genau das gefunden: Aus fast völliger Ahnungslosigkeit arbeitete sie sich in die Funktionsweisen einer Nierenkrankheit ein. Dafür wird ihr nicht nur in Wissenschaftskreisen Respekt gezollt – Vom Bildungsministerium ihres Heimatlandes erhielt sie nun den „Preis der chinesischen Regierung für herausragende Studenten im Ausland“.
Das Komplementsystem unseres Körpers sorgt dafür, dass bakterielle Eindringlinge schnell und direkt bekämpft werden. Arbeitet es nicht richtig, können schwerwiegende Krankheiten auftreten. Die Ursachen dafür sind vielfältig – und Qian Chen tritt auf den Plan. „Seit 2010 habe ich mich hier am HKI mit der Regulierung des Komplementsystems beschäftigt. Das Einarbeiten war hart, weil ich anfangs fast nichts über die Thematik wusste. Aber jetzt bin ich so tief drin, dass ich gar nicht aufhören will zu forschen“, schmunzelt Qian. Sie untersucht verschiedene Faktoren wie genetische Mutationen, die Grund für die Fehlfunktion des Komplementsystems sein können und damit zur Erkrankung Betroffener führen. Sie hofft, dass die Ergebnisse ihrer Forschung zu neuen und besseren Therapien führen werden.
Vier Publikationen kann Qian in ihren vier Jahren am HKI veröffentlichen, zwei davon als Erstautorin. Einer der Gründe, warum sie von der chinesischen Regierung für den Preis ausgewählt wurde. 500 junge chinesische Wissenschaftler aller Disziplinen werden jährlich ausgezeichnet. In diesem Jahr gehen 38 Preise nach Deutschland, wo es allein 25.000 chinesische Studenten gibt. „Der Preis selbst ist mir gar nicht so wichtig“, sagt Qian, „es geht mir um die Anerkennung. Die Regierung belohnt damit gute Leistungen. Ich fühle mich so stärker mit meinem Heimatland verbunden.“
Bis 2009 studiert Qian in Peking Biologie an der China Agriculture University. Dafür ist ihr auch der 2.500 Kilometer lange Weg aus der südchinesischen Küstenstadt Beihai nicht zu weit. „Nach Peking zu gehen war mein Traum. Ich wollte unbedingt in die Hauptstadt. Nicht nur, weil sie kulturell viel zu bieten hat; durch die gute Anbindung an Unternehmen hat man hier als Student die Chance, wichtige Kontakte zu knüpfen.“ 2009 erhält sie die Möglichkeit für einen Forschungsaustausch nach Jena zu gehen, an das Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut. Qian erinnert sich genau an ihren ersten Eindruck: „Es war Mitternacht, als ich im Januar in Jena ankam. Es war sehr kalt. Doch der Anblick von Schnee hat mich für die Kälte entlohnt.“
Jena gefällt ihr, daher kehrt sie nach dem Abschluss des Studiums und mit Beginn der Doktorarbeit zurück, diesmal an das benachbarte Hans-Knöll-Institut. „Ich liebe die Natur rund um Jena. Und auch die kleinen Städte in der Umgebung. Leider bleibt neben der Arbeit im Labor wenig Zeit für Fahrrad- und Wandertouren.“ Schon jetzt kristallisiert sich heraus: Wer es zu etwas in der Wissenschaft bringen will, darf keine Überstunden scheuen. Über Gespräche mit Kollegen und Freunden stellt sie fest, dass sie längst nicht die Einzige ist, die über die Verteilung von Beruf und Privatleben nachdenkt. „Das ist heutzutage einfach so. Manchmal spiele ich mit dem Gedanken, ein anderes Leben auszuprobieren. Vielleicht sollte ich mehr über die Gesellschaft lernen und Schriftstellerin werden? Ich bin mir sicher, dass es auch für mich nicht nur einen richtigen Weg zu leben gibt.“
Erst einmal wird sie den Weg der Forschung weiter verfolgen. Auch, weil sie in Jena auf den Geschmack gekommen ist. „In der Zeit der Doktorarbeit habe ich viel über mich selbst gelernt und an mir gearbeitet. Jetzt kann ich mir selbstständig ein wissenschaftliches Thema erarbeiten und dieses vor meinem Professor oder Publikum vortragen.“ Wohin sie der Weg führt? „Ich würde sehr gern in Jena bleiben. Aber natürlich muss ich mich danach richten, wo ich eine gute Postdoc-Stelle finde. Ganz gleich wo auf der Welt ich bin: Wenn ich in einem Labor ein Zeiss-Mikroskop sehe“, Qian lacht, „dann bin ich schon stolz.“