Eine verborgene Sprache zwischen zwei Welten?
Forschende schlagen neue Rolle von RNA:DNA-Triplexen in der Kommunikation zwischen Mikroben und Wirten vor
| Friederike Gawlik
Lange galt RNA als die „kleine Schwester“ der DNA – weniger stabil, nur ein Botenstoff ohne eigene Rolle im Rampenlicht. Doch in den letzten Jahrzehnten hat die Forschung gezeigt, dass RNA weit mehr ist: Sie reguliert Gene, kontrolliert Zellprozesse und könnte sogar die Schlüsselrolle bei der Entstehung des Lebens gespielt haben. Jetzt werfen Forschende eine faszinierende Frage auf: Könnte RNA auch eine Sprache sein, mit der Mikroben ihre Wirte beeinflussen?
In einem Beitrag im renommierten Fachjournal mBio haben Amelia Barber und Holger Bierhoff von der Friedrich-Schiller-Universität Jena gemeinsam mit Matthew Blango vom Leibniz-HKI eine neue Hypothese aufgestellt: Mikroben könnten sogenannte RNA:DNA-Triplexe nutzen, um die genetischen Abläufe ihrer Wirte zu beeinflussen. Diese speziellen Strukturen können dabei eine neue Ebene in der epigenetischen Kommunikation darstellen, eine Art molekulares Flüstern zwischen Mikroben und ihren Wirten wie Menschen, Pflanzen oder Tieren.
Triplexe: Eine neue Dimension der Kommunikation?
RNA:DNA-Triplexe bestehen aus drei Strängen und bilden sich, wenn ein einsträngiges RNA-Molekül spezifisch mit der großen Furche der doppelsträngigen DNA interagiert. Solche Strukturen sind bei Menschen bereits für ihre Rolle in der Genregulation bekannt. Die Forschenden vermuten, dass Mikroben ihre RNA nutzen, um solche Triplexe mit der DNA ihrer Wirte zu bilden und damit die Genexpression zu verändern. Dies könnte unter anderem zu einer Veränderung der Immunantwort führen und den Mikroben einen evolutionären Vorteil verschaffen.
Mikroben als Meister der Manipulation
Bakterien, Pilze und Parasiten sind wahre Meister der Manipulation. Sie setzen seit Langem verschiedenste Moleküle ein, um die biologischen Prozesse ihrer Wirte zu ihrem eigenen Vorteil zu beeinflussen. Das Forschungsteam um Barber, Bierhoff und Blango schlägt vor, dass Mikroben möglicherweise „Triplexe“ aus RNA- und DNA-Molekülen nutzen könnten, um auf die Gene ihrer Wirte Einfluss zu nehmen – ein Mechanismus, der bislang kaum erforscht ist.
Es ist erst der Anfang
Das Verständnis solcher RNA:DNA-Triplexe aus Molekülen unterschiedlicher Spezies steht noch am Anfang. „Wir wissen, dass RNA:DNA-Triplexe eine bedeutende Rolle bei der Regulierung der Immunantwort spielen können“, erklärt Matthew Blango. „Jetzt möchten wir herausfinden, ob Mikroben diese Strukturen nutzen, um ihre Wirte zu beeinflussen – und ob wir diese Erkenntnisse nutzen können, um neue Therapien gegen Infektionskrankheiten zu entwickeln.“
Ein Aufruf an die Community
Das Forschungsteam lädt nun die wissenschaftliche Gemeinschaft ein, sich dieser spannenden Frage anzunehmen und bestehende Datensätze zu durchleuchten. „Die fortschreitende Entwicklung bioinformatischer Methoden bietet uns die Möglichkeit, diese faszinierenden Wechselwirkungen tiefer zu erkunden“, so Blango. „Wir hoffen, dass unsere Hypothese neue Türen für die Erforschung der molekularen Kommunikation zwischen Mikroben und ihren Wirten öffnet.“
Die Spezialisten für Biochemie (Bierhoff), Bioinformatik (Barber, beide Universität Jena) und Mikrobiologie (Blango, Leibniz-HKI) demonstrieren in ihrem von der Leibniz-Gemeinschaft geförderten Projekt „FuRTHER“, wie interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen mehreren Institutionen gelingen kann. Die Erforschung der Kommunikation von Mikroorganismen trägt damit zum Verständnis der komplexen organismischen Wechselwirkungen in unserer Umwelt bei und ist Teil des Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“.
Originalpublikation
Bierhoff H, Barber AE, Blango MG (2024) RNA:DNA triplexes: a mechanism for epigenetic communication between hosts and microbes? mBio, https://doi.org/10.1128/mbio.01982-24.