Neue Quellen für Naturstoffe

Die zunehmende Verbreitung von bekannten und neuen Krankheitserregern und insbesondere die Zunahme an multiresistenten Keimen stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschheit dar. Neue Medikamente zur Bekämpfung dieser Erreger werden dringend benötigt. Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze produzieren eine Vielzahl kleiner chemischer Verbindungen – sogenannte Naturstoffe – die eine antibiotische Wirkung haben und als Grundlage für die Entwicklung neuer Antiinfektiva dienen können. Mit herkömmlichen Methoden werden jedoch kaum noch neue Substanzen gefunden und die Wiederentdeckungsrate für bereits bekannte Wirkstoffe ist sehr hoch.

Naturstoffe aus prähistorischen Mikrobiomen

Die Abteilung Paläobiotechnologie möchte bislang unerforschte Quellen der mikrobiologischen Diversität erschließen, um neue Naturstoffe zu finden. Wir erstrecken dabei unsere Suche nach neuen Molekülen nicht nur auf die heute vorkommenden Mikroorganismen, sondern widmen uns intensiv der zeitlichen Dimension. Dies tun wir, indem wir die genetische Information in prähistorischen Materialien, bspw. mikrobielle DNA aus Zahnstein oder Kotresten, analysieren. So können wir die Evolution von Naturstoff-Synthesen studieren und gelangen zu Wirkstoffen, die in der Natur bereits verloren gegangen sind. Hierzu wenden wir modernste Technologien der Genomanalyse sowie der Identifizierung und Isolierung mikrobieller Naturstoffe an. Aber nicht nur Fossilien, auch traditionell hergestellte Lebensmittel aus Weltregionen, die noch nicht von der modernen Industrie beeinflusst sind, sind vielversprechende Ausgangspunkte für die Wirkstoffsuche. Dabei arbeiten wir eng mit Prof. Dr. Christina Warinner vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, Jena/Harvard University, Cambridge, USA, zusammen.

Mikrobielle Räuber-Beute-Beziehungen

Weitere Quellen für neue Naturstoffe sind natürlich vorkommende mikrobielle Lebensgemeinschaften. Als Beispiel dienen uns soziale Amöben und ihr Zusammenleben mit Bakterien. Amöben, insbesondere die soziale Amöbe Dictyostelium discoideum, ernähren sich von Bodenbakterien. Diese haben wiederum Strategien entwickelt, um sich gegen die Amöben zu verteidigen. Sie geben dazu amöbizide Naturstoffe in die Umgebung ab. Wir untersuchen diese Substanzen und ihre Wirkmechanismen.

Team

Pierre Stallforth
Leitung
Annett Fischer
Teamassistenz

Publikationen

Götze S, Vij R, Burow K, Thome N, Urbat L, Schlosser N, Pflanze S, Müller R, Hänsch VG, Schlabach K, Fazlikhani L, Walther G, Dahse HM, Regestein L, Brunke S, Hube B, Hertweck C, Franken P, Stallforth P (2023) Ecological niche-inspired genome mining leads to the discovery of crop-protecting nonribosomal lipopeptides featuring a transient amino acid building block. J Am Chem Soc 145(4), 2342-2353.
Klapper M*, Hübner A*, Ibrahim A*, Wasmuth I, Borry M, Haensch VG, Zhang S, Al-Jammal WK, Suma H, Fellows Yates JA, Frangenberg J, Velsko IM, Chowdhury S, Herbst R, Bratovanov EV, Dahse HM, Horch T, Hertweck C, González Morales MR, Straus LG, Vilotijevic I, Warinner C, Stallforth P (2023) Natural products from reconstructed bacterial genomes of the Middle and Upper paleolithic. Science 380(6645), 619-624.
Pflanze S, Mukherji R, Ibrahim A, Günther M, Götze S, Chowdhury S, Reimer L, Regestein L, Stallforth P (2023) Nonribosomal peptides protect Pseudomonas nunensis 4A2e from amoebal and nematodal predation. Chem Sci 14(41), 11573-11581.

Förderung

Die Abteilung Paläobiotechnologie wird von der Werner Siemens-Stiftung gefördert.

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