Die Funktion chemischer Vielfalt in der Natur
HKI-Wissenschaftler erhalten medac-Forschungspreis 2017
Jena. Jährlich vergibt das Pharmaunternehmen medac mit Hauptsitz in Wedel den medac-Forschungspreis an junge Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI). Ausgezeichnet werden interdisziplinäre Forschungsarbeiten, die in der Fachwelt besonderes Aufsehen erregt haben. In diesem Jahr wurden gleich drei herausragende Publikationen gewürdigt.
Universitätsprofessor und Abteilungsleiter am HKI Christian Hertweck untersuchte mit seinem Team die Biosynthese des Antibiotikums Xiamycin, um daraus Hinweise für die Entstehung der chemischen Vielfalt in der Natur zu erhalten. Sie entdeckten dabei ein sehr ungewöhnliches Enzym – eine Indoloxygenase – die auch für die biotechnologische Produktion der Farbstoffe Indigo und Indirubin verwendet werden kann. Das Enzym ist eng verwandt mit anderen Enzymen, die zur Entgiftung von Fremdstoffen in der Natur eingesetzt werden. Die in Nature Communications veröffentlichten Ergebnisse zeigen deshalb, wie ein bestimmter Reaktionsmechanismus im Laufe der Evolution für völlig verschiedene Zwecke – in diesem Fall zur Stoffbildung statt zur -zersetzung – zum Einsatz kommt.
Tuberkulose ist nach wie vor die gefährlichste durch Bakterien ausgelöste Infektionskrankheit. Jährlich sterben weltweit mehr als 1,5 Millionen Menschen daran. Resistente Tuberkulose-Erreger, gegen die keines der verfügbaren Antibiotika mehr wirksam ist, sind global auf dem Vormarsch. Das Team um den Chemiker Florian Kloß, Leiter der Transfergruppe Antiinfektiva am HKI, widmet sich deshalb der Suche nach neuen antibiotischen Wirkstoffen, die diese Resistenzen umgehen. Zusätzlich koordiniert die Gruppe die Entwicklung neuer Medikamente auf Basis der vielversprechenden Substanzen. Bei Ihren Forschungsarbeiten entdeckten die Wissenschaftler um Kloß erstmals sogenannte Meisenheimer-Komplexe in der Natur. Das sind instabile chemische Verbindungen, die bislang nur aus dem Labor bekannt waren. Diese Moleküle könnten die Grundlage für eine neue Generation von Tuberkulose-Antibiotika bilden. Die Fachzeitschrift Angewandte Chemie International Edition veröffentlichte die bahnbrechenden, inzwischen patentierten Ergebnisse und würdigte sie zusätzlich mit einer Cover-Illustration. Kloß‘ Forscherteam wird durch das BMBF im Rahmen des Projektkonsortiums InfectControl 2020 gefördert.
Die Verteidigung von Pilzen gegen Larvenfraß – Pilzsammlern leidlich bekannt – war das Thema einer Kooperation zwischen dem Team von Dirk Hoffmeister vom Institut für Pharmazie der Friedrich-Schiller-Universität Jena und zwei Forschergruppen des HKI. Die Wissenschaftler fanden erstmals in der Gruppe der Ständerpilze ein Enzym, das für die Verschiebung von Doppelbindungen in der Substanzfamilie der Polyketide verantwortlich ist. Die Ständerpilze bilden diese chemische Waffe besonders dann, wenn das Pilzmycel beispielsweise durch Tierfraß geschädigt wird. Die dabei entstandenen Polyene sind schädlich für Insektenlarven und dienen damit der chemischen Verteidigung der Pilze gegen ihre Fraßfeinde. Die in der Zeitschrift Angewandte Chemie International Edition publizierte Arbeit liefert auf diese Weise wertvolle Hinweise zur Kommunikation zwischen unterschiedlichen Organismen in der Natur.
Originalveröffentlichungen
Kugel S, Baunach M, Baer P, Ishida-Ito M, Sundaram S, Xu Z, Groll M, Hertweck C (2017)
Cryptic indole hydroxylation by a non-canonical terpenoid cyclase parallels bacterial xenobiotic detoxification.
Nature Communications 8, 15804.
Kloss F, Krchnak V, Krchnakova A, Schieferdecker S, Dreisbach J, Krone V, Möllmann U, Hoelscher M, Miller MJ (2017)
In vivo dearomatization of the potent antituberculosis agent BTZ043 via Meisenheimer complex formation
Angewandte Chemie International Edition 56, 2187-2191.
Brandt P, García-Altares M, Nett M, Hertweck C, Hoffmeister D (2017)
Induced chemical defense of a mushroom by a double-bond-shifting polyene synthase.
Angewandte Chemie International Edition 56, 5937-5941.
Die Preisträger
Susann Kugel (Biomolekulare Chemie)
Martin Baunach (Biomolekulare Chemie)
Mie Ishida-Ito (Biomolekulare Chemie)
Srividhya Sundaram (Biomolekulare Chemie)
Zhongli Xu (Biomolekulare Chemie)
Florian Kloss (Transfergruppe Antiinfektiva)
Sebastian Schieferdecker (Biomolekulare Chemie)
Philip Brandt (Friedrich-Schiller-Universität, Pharmazeutische Mikrobiologie)
María García-Altares Pérez (Biomolekulare Chemie)
Bildunterschrift
Die Preisträger (von links: Zhongli Xu, Mie Ishida-Ito, María García-Altares Pérez, Susann Kugel, Florian Kloss, Sebastian Schieferdecker, Philip Brandt) umrahmt vom medac-Geschäftsführer, Nikolaus Graf zu Stolberg und Institutsdirektor Axel Brakhage.
Quelle: HKI/Michael Ramm
Informationen zum HKI
Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet modifiziert.
Das HKI verfügt über fünf wissenschaftliche Abteilungen, deren Leiter gleichzeitig berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut. Gemeinsam mit der FSU betreibt das HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten etwa 430 Personen am HKI, davon 130 als Doktoranden.
Das HKI ist Initiator und Kernpartner großer Verbundvorhaben wie der Exzellenz-Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio) und ChemBioSys, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics sowie von InfectControl 2020, einem Konsortium im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Das HKI ist Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.
Informationen zur Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 91 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an.
Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen ‑ u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.600 Personen, darunter 9.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,7 Milliarden Euro.
Ansprechpartner
Dr. Michael Ramm
Wissenschaftliche Organisation
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Adolf-Reichwein-Straße 23
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