Expertisen aus neun Leibniz-Instituten vereinigen sich in einem Chip
Sensorplattform soll akute, anfallartige Verschlimmerungen chronisch-entzündlicher Atemwegserkrankungen vorhersagen
Neun Leibniz-Institute arbeiten gemeinsam im Pilotprojekt „EXASENS“ an der Erforschung einer Point-of-Care-Technologie zur Vorhersage und Diagnose von chronisch-entzündlichen Atemwegserkrankungen. Der Verbund wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 6,25 Millionen Euro gefördert und liefert einen Beitrag zum Ausbau und zur Stärkung des Themenfeldes Gesundheitstechnologien.
In den kommenden drei Jahren werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen aus neun Leibniz-Instituten an einem Vor-Ort-Diagnostik-System zur Vorhersage und Diagnostik der chronisch-entzündlichen Atemwegserkrankungen Asthma und chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) forschen. Über 10% der deutschen Bevölkerung leiden an diesen Erkrankungen, wodurch sie sowohl volkswirtschaftlich als auch gesundheitspolitisch eine immense Bedeutung besitzen. Klinisch hochrelevant und von besonderer Brisanz für die Patienten sind akute, anfallartige Verschlimmerungen (Exazerbationen) dieser Erkrankungen, die zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen können. Ein exaktes Monitoring des Krankheitszustandes und eine frühzeitige Diagnostik sich anbahnender Exazerbationen ist essentiell für eine verbesserte Lebensqualität und die optimale Behandlung des Patienten. Herkömmliche Verfahren basieren auf Lungenfunktionstests und der subjektiven Einschätzung durch einen erfahrenen Arzt. Die so gewonnenen Ergebnisse sind jedoch nicht spezifisch genug, um die Ursache der Exazerbation zu diagnostizieren, Vorhersagen zu treffen und frühzeitig individuell abgestimmte Therapiemaßnahmen einzuleiten.
Das Projekt „EXASENS“ soll diese diagnostische Lücke schließen. Dazu werden zunächst potentielle Auslöser von Exazerbationen, wie zum Beispiel Bakterien, Viren, Pilzsporen oder auch Stäube, mit optoelektronischen und photonischen Messverfahren charakterisiert und spezifische Indikatoren definiert, welche eine zuverlässige Vorhersage von Exazerbationen erlauben. Parallel dazu wird eine modular aufgebaute Kartusche entwickelt, in der alle erforderlichen Schritte zur Aufbereitung und Analyse von Patientenproben durchgeführt werden können. Die Wissenschaftler legen dabei den Fokus auf Lab-on-a-Chip-Technologien. Durch die Kombination mehrerer Cent-Stück-großer Chips mit unterschiedlicher Funktionalität entsteht eine Messplattform, die dem Nutzer innerhalb kurzer Zeit krankheitsspezifische Informationen liefern wird. Die komplexen Abläufe der Analyse z.B. von Speichelproben werden in einem intuitiv zu bedienenden Gerät integriert, das in der Arztpraxis oder zu Hause anwendbar ist. Mediziner können so eine Verschlimmerung im Krankheitsverlauf frühzeitig und ursachenspezifisch erkennen und individuelle Therapiemaßnahmen einleiten.
Aufgrund der kompakten Bauweise und einfachen Handhabung eignet sich die Technologie auch für telemedizinische Anwendungen. Betroffenen Patienten wird es ermöglicht, den Krankheitsverlauf selbstständig und verlässlich zu überwachen und die Testergebnisse online an den behandelnden Hausarzt oder eine Klinik zu übermitteln. Die Anzahl nicht erforderlicher ambulanter oder gar notfallmedizinischer Behandlungen und die dadurch entstehenden Kosten für das Gesundheitssystem können drastisch reduziert werden.
„Die gezielte interdisziplinäre Zusammenarbeit von Instituten aus unterschiedlichen Sektionen der Leibniz-Gemeinschaft versetzt uns in die Lage, ein Thema entlang der Innovationskette von der Grundlagenforschung bis hin zur Vermarktung von Lösungen und Verfahren durch Industriepartner bearbeiten zu können“, so Professor Jürgen Popp, Koordinator des Projektes und wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Institutes für Photonische Technologien.
Darüber hinaus wird durch die enge Zusammenarbeit der Leibniz-Institute mit Kliniken und Einrichtungen der biologischen und medizinischen Forschung eine Validierung der erforschten Technologien ermöglicht. Die zukünftige Einbindung von Unternehmen wird zur schnellen Überführung der Sensorplattformen in alltagstaugliche Anwendungen führen.
Lebens-, natur- sowie wirtschaftswissenschaftliche Institutionen liefern im geförderten interdisziplinären Verbundvorhaben „EXASENS“ die Basis für eine nachhaltige und exzellente Forschung, um zukünftig den gesundheitsrelevanten gesellschaftlichen Herausforderungen erfolgreich begegnen zu können.
Projekt: POC-Sensorplattform für chronisch-entzündliche Atemwegserkrankungen (EXASENS)
Projektvolumen: 6,25 Mio. €
Projektlaufzeit: 01.12.2015 bis 30.11.2018
Gefördert von: Bundesministerium für Bildung und Forschung
Projektpartner:
- Leibniz-Institut für Photonische Technologien e.V. (IPHT), Jena
- Leibniz-Zentrum für Medizin und Biowissenschaften (FZB), Borstel
- Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH), Berlin
- Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e.V. (IPF), Dresden
- Leibniz-Institut für Interaktive Materialien (DWI), Aachen
- Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie e.V. (HKI), Jena
- Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik (IHP), Frankfurt (Oder)
- Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften (ISAS), Dortmund
- Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Halle
Informationen zum HKI
Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet modifiziert.
Das HKI verfügt über fünf wissenschaftliche Abteilungen, deren Leiter gleichzeitig berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut, darunter das anwendungsorientierte Biotechnikum als Schnittstelle zur Industrie. Gemeinsam mit der FSU betreibt das HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten etwa 400 Personen am HKI, davon 130 als Doktoranden.
Das HKI ist Initiator und Kernpartner großer Verbundvorhaben wie der Exzellenz-Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio) und ChemBioSys, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics sowie von InfectControl 2020, einem Konsortium im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Seit 2014 ist das HKI Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.
Informationen zur Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 89 selbständige Forschungseinrichtungen. Deren Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante Fragestellungen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an.
Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen intensive Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der WissenschaftsCampi –, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.100 Personen, darunter 9.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,64 Milliarden Euro.
Ansprechpartner
Dr. Michael Ramm
Wissenschaftliche Organisation
Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie e. V. – Hans-Knöll-Institut (HKI) –
Adolf-Reichwein-Straße 23
07745 Jena
Telefon: +49 3641 5321011
Mobil: +49 176 54909562
E-Mail: presse@leibniz-hki.de
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