Geschulter Krankheitserreger
HKI-Wissenschaftler untersucht Angriffstaktiken eines lebensbedrohlichen Schimmelpilzes
Von Tina Kunath
Jena. Fressen und gefressen werden – das verhält sich in der mikroskopisch kleinen Welt nicht anders, als in der für uns sichtbaren. Jedes Lebewesen kämpft um seinen Platz, wenn es sein muss mit Gewalt. In einem Artikel in der renommierten Fachzeitschrift Environmental Microbiology berichtet nun Falk Hillmann vom Hans-Knöll-Institut in Jena, welche Mittel der Pilz Aspergillus fumigatus gegen eine Amöbe einsetzt. Interessant ist dieses Wissen vor allem für die Medizin – nämlich im Kampf gegen gefährliche Pilzinfektionen.
Warum machen uns manche Mikroorganismen krank und andere nicht? Und welche Mechanismen setzen sie ein, um unsere körpereigene Abwehr trickreich zu überwinden? Der Schimmelpilz Aspergillus fumigatus kann bei Patienten mit schwachem Immunsystem schwerwiegende Infektionen verursachen. Dabei helfen ihm bestimmte Angriffs- und Tarnmechanismen. Diese setzt er jedoch nicht nur gegen den Menschen, sondern auch gegen andere, mikroskopisch kleine Feinde in seiner Umwelt ein, weiß der Mikrobiologe Falk Hillmann vom Jenaer Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI): „Schon viele Millionen Jahre bevor es den Menschen überhaupt gab, hat der Pilz Fähigkeiten entwickelt, um sich sowohl vor Angriffen zu schützen als auch andere Organismen, beispielsweise im Erdboden, zu bekämpfen.“
Wie der Pilz die menschliche Abwehr überwindet, ist bisher kaum bekannt. Doch gemeinsam mit Thomas Winckler von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Martin Westermann vom Elektronenmikroskopischen Zentrum des Universitätsklinikums Jena, seiner Doktorandin Silvia Novohradská und seinem Abteilungsleiter Axel Brakhage, hat sich Falk Hillmann einer anderen Variante gewidmet: „Wir wollten uns einen Gegenspieler von Aspergillus fumigatus anschauen, nämlich die Amöbe Dictyostelium discoideum. Beide begegnen sich in der Natur häufig. Wir haben uns gefragt, wie der Pilz die Amöbe bekämpft.“ Tatsächlich verwendet er zwei der Mechanismen, mit denen er auch das menschliche Immunsystem angreift: Mit einer Art Tarnschicht vermeidet er, dass er erkannt wird, mithilfe eines Gifts greift er auch die Amöbe an.
„Seine natürliche Umgebung ist eine Art Schule für den Pilz. Er lernt sich zu behaupten. Ein Mikroorganismus, der durch diese Schule gegangen ist und bestimmte Eigenschaften erworben hat, kann sich auch zum Krankheitserreger entwickeln.“ Vor allem die Erkenntnis, auf welche Weise angegriffene Lebewesen wie die Amöbe darauf reagieren, ist von Interesse für die Wissenschaftler die sich davon neue Wege für die Entwicklung von Therapeutika gegen Pilzinfektionen erhoffen.
In einem nächsten Schritt wollen sie anhand einer komplexeren Amöbenart herausfinden, wie der Pilz auf Lebewesen reagiert, die stärker sind als er selbst.
Originalpublikation
Hillmann F, Novohradská S, Mattern DJ, Forberger T, Heinekamp T, Westermann M, Winckler T, Brakhage AA (2015) Virulence determinants of the human pathogenic fungus Aspergillus fumigatus protect against soil amoeba predation. Environ Microbiol, DOI: 10.1111/1462-2920.12808
Bildunterschriften
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Die elektronenmikroskopische Aufnahme zeigt, wie die Amöbe Dictyostelium discoideum den Pilz Aspergillus fumigatus umschließt, um ihn in sich aufzunehmen. Bei diesem ungleichen Kampf wird allerdings der Pilz als Sieger hervorgehen. Quelle: EMZ/Martin Westermann
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Der Mikrobiologe Falk Hillmann vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – bei der Arbeit im Labor. Quelle: HKI/Tina Kunath
Informationen zum HKI
Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet modifiziert.
Das HKI verfügt über fünf wissenschaftliche Abteilungen, deren Leiter gleichzeitig berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut, darunter das anwendungsorientierte Biotechnikum als Schnittstelle zur Industrie. Gemeinsam mit der FSU betreibt das HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten mehr als 380 Personen am HKI, davon 130 als Doktoranden.
Das HKI ist Initiator und Kernpartner großer Verbundprojekte wie der Exzellenz-Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio) und ChemBioSys, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics sowie von InfectControl 2020 – Neue Antiinfektionsstrategien, einem Vorhaben im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Seit 2014 ist das HKI Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.
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Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 89 selbständige Forschungseinrichtungen. Deren Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante Fragestellungen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an.
Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen intensive Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der WissenschaftsCampi –, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam.
Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 17.200 Personen, darunter 8.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,5 Milliarden Euro.
Ansprechpartner
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Wissenschaftliche Organisation
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