Mit Nanorauheit gegen Bakterien
Jenaer Materialwissenschaftler und Mikrobiologen starten gemeinsames Forschungsprojekt zur Bekämpfung von Krankenhausinfektionen
Jedes Jahr erkranken in Deutschland bis zu 600.000 Menschen an Krankenhausinfektionen, die durch den Aufenthalt in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen auftreten. Davon verlaufen 40.000 tödlich. Ein Großteil der Infektionen wird dabei durch Bakterien verursacht, wie sie auf Materialoberflächen im Krankenhaus, z. B. an Türklinken, Kathetern oder Implantaten aus Titan vorkommen können (materialassoziierte Infektionen).
Betroffen sind wegen des schlechteren Allgemeinzustands vor allem ältere Patientinnen und Patienten nach Operationen bzw. Implantationen. Erschwerend kommen die zunehmenden Antibiotikaresistenzen der Bakterien hinzu, die sich mit herkömmlichen Antibiotika teilweise nicht mehr bekämpfen lassen. Wissenschaftler und Ärzte suchen deshalb dringend nach neuen Strategien zur Bekämpfung der Krankenhausinfektionen.
Bakterien fühlen sich nicht wohl
Ein neuer Ansatz, Bakterien auf Materialoberflächen zu bekämpfen, die in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen zum Einsatz kommen, basiert auf deren Rauheit. Diesem Thema widmet sich ein gemeinsames Projekt des Otto-Schott-Instituts für Materialforschung der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) und des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut. Materialwissenschaftler und Physiker um Prof. Dr. Klaus D. Jandt von der Universität Jena haben nun entdeckt, dass Titan einer bestimmten Nanorauheit die Adhäsion (Anhaftung) gefährlicher Bakterien deutlich reduzieren kann. "Die Bakterien fühlen sich auf diesen Oberflächen nicht wohl", beschreibt Prof. Jandt diesen Effekt und ergänzt "wahrscheinlich ist das ein physikalischer Effekt, der auf ungünstigen Kräften zwischen der Materialoberfläche und den Bakterien basiert, aber das ist noch präzise zu klären." Titan wird vor allem in Implantaten, wie Hüft- oder Knieendoprothesen, künstlichen Herzklappen oder Zahnimplantaten eingesetzt, bei denen die Bakterieninfektionen bisher auftreten konnten.
Dass Physiker und Mikrobiologen bisher kaum zusammengearbeitet haben, hinderte die Aufklärung des antimikrobiellen Effekts des neuen nanorauen Titans wesentlich. Einen neuen Weg gehen hier Prof. Dr. Klaus Jandt und Prof. Dr. Axel Brakhage vom Hans-Knöll-Institut. Beide Wissenschaftler werden in den nächsten drei Jahren die Wechselwirkung von nanorauem Titan und Bakterien erforschen. Das gemeinsame Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 430.000 Euro gefördert. "Die transdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Materialwissenschaftlern und Mikrobiologen kann entscheidend dazu beitragen, die Wechselwirkung von Materialien und Bakterien besser zu verstehen", sagt Prof. Brakhage.
Informationen zum HKI
Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet modifiziert.
Das HKI verfügt über fünf wissenschaftliche Abteilungen, deren Leiter gleichzeitig berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut, darunter das anwendungsorientierte Biotechnikum als Schnittstelle zur Industrie. Gemeinsam mit der FSU betreibt das HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten etwa 400 Personen am HKI, davon 130 als Doktoranden.
Das HKI ist Initiator und Kernpartner großer Verbundvorhaben wie der Exzellenz-Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio) und ChemBioSys, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics sowie von InfectControl 2020, einem Konsortium im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Seit 2014 ist das HKI Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.
Informationen zur Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 89 selbständige Forschungseinrichtungen. Deren Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante Fragestellungen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an.
Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen intensive Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der WissenschaftsCampi –, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.100 Personen, darunter 9.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,64 Milliarden Euro.
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Prof. Dr. Klaus D. Jandt
Otto-Schott-Institut für Materialforschung der Friedrich-Schiller-Universität Jena
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