Natürliche Wirkstoffe aus künstlichen Zellen
Neue HKI-Nachwuchsgruppe forscht zu synthetischer Biologie
Von Tina Kunath
Jena. Neue Wirkstoffe für die Entwicklung von Medikamenten zu finden wird immer schwieriger – bekannte Wirkstoffproduzenten sind abgegrast oder es fehlt an neuen Suchmöglichkeiten. Die Wissenschaftler des Leibniz Research Clusters wollen nun durch die Kombination von biologischem Wissen mit ingenieurwissenschaftlichen Fertigkeiten neue Wege beschreiten: Zellen sollen durch zellfreie Systeme ersetzt werden, die aussichtsreiche Wirkstoffe effizienter produzieren.
Es ist die synthetische Biologie, die in Zeiten nicht mehr wirkender Antibiotika Hoffnung verspricht. Waren Wissenschaftler bisher darauf angewiesen, Wirkstoffe, die sie beispielsweise in Pilzen oder Bakterien gefunden haben, mit all deren Besonderheiten und Nachteilen als lebende Zellen – wie langsames Wachstum oder geringe Produktionsmengen – als gegeben hinzunehmen und damit zu arbeiten, können sie mittlerweile aktiv Einfluss darauf nehmen. Wirkstoffe, die von natürlichen Zellen produziert werden, sollen außerhalb dieser in Reaktionsgefäßen künstlich hergestellt oder auch in ihrer Wirkweise verändert werden. Der Vorteil liegt auf der Hand, erklärt Vito Valiante: „Die Wirkstoffe lassen sich so effektiver herstellen und können für die medizinische Anwendung angepasst werden.“
Vito Valiante wird die neue fünfköpfige Nachwuchsgruppe am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut leiten. Der 37-jährige Italiener hat sich den Schimmelpilz Aspergillus fumigatus als Ausgangspunkt der Forschung gewählt. „Aus dem Pilz werden wir interessante Faktoren herausgreifen, die wir künstlich zu produzieren versuchen. Dieses Wissen geben wir an unsere Partner weiter.“ An vier weiteren Leibniz-Instituten wird dann daran gefeilt, das System ‚Zelle‘ soweit biotechnologisch zu imitieren, dass Wirkstoffe schneller gefunden und optimiert werden können.
Am Leibniz Research Cluster sind neben dem HKI das Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften (ISAS) in Dortmund, das Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB) in Halle, das Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden (IPF) und das Leibniz-Institut für Neue Materialien (INM) in Saarbrücken beteiligt. Es wird bis 2020 vom BMBF mit insgesamt 5,5 Millionen Euro gefördert.
Bildunterschriften
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Der Mikrobiologe Vito Valiante wird mit seiner neuen Nachwuchsgruppe am Beispiel des Schimmelpilzes Aspergillus fumigatus die Möglichkeiten der synthetischen Biologie erforschen.
Quelle: HKI/Anna Schroll
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Dr. Vito Valiante stammt aus dem italienischen Apulien und forschte bisher als Postdoc am HKI. Nun übernimmt er die Leitung einer neu gegründeten Nachwuchsgruppe im Leibniz Research Cluster.
Quelle: HKI/Anna Schroll
Informationen zum HKI
Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet modifiziert.
Das HKI verfügt über fünf wissenschaftliche Abteilungen, deren Leiter gleichzeitig berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut, darunter das anwendungsorientierte Biotechnikum als Schnittstelle zur Industrie. Gemeinsam mit der FSU betreibt das HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten mehr als 380 Personen am HKI, davon 130 als Doktoranden.
Das HKI ist Initiator und Kernpartner großer Verbundprojekte wie der Exzellenz-Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio) und ChemBioSys, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics sowie von InfectControl 2020 – Neue Antiinfektionsstrategien, einem Vorhaben im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Seit 2014 ist das HKI Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.
Informationen zur Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 89 selbständige Forschungseinrichtungen. Deren Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante Fragestellungen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an.
Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen intensive Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der WissenschaftsCampi –, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam.
Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 17.200 Personen, darunter 8.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,5 Milliarden Euro.
Ansprechpartner
Dr. Michael Ramm
Wissenschaftliche Organisation
Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie e. V. – Hans-Knöll-Institut (HKI) –
Adolf-Reichwein-Straße 23
07745 Jena
Telefon: +49 3641 5321011
Mobil: +49 176 54909562
E-Mail: presse@hki-jena.de
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