Neues Wissen über uralten Schädling
Jenaer Wissenschaftler entschlüsseln das Erbgut des Pilzes Lichtheimia corymbifera
von Tina Kunath
Jena. Alles ist vergänglich, ob Mensch, Tier oder Pflanze. Ein fester Akteur in diesem Prozess ist der Schimmelpilz Lichtheimia corymbifera. Er baut in der Natur organisches Material ab, beispielsweise auf dem Kompost. Doch manchmal ist er „zu früh“ dran. Dann nämlich, wenn er noch lebende Personen befällt. Wissenschaftlern vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI) ist es nun gelungen, das Erbgut des Krankheitserregers zu entschlüsseln.
Lichtheimia corymbifera hat eine Vorliebe für Eisen. Das ist auch der Grund, warum sich der Pilz nach der Aufnahme über die Lunge über den Blutstrom im ganzen Körper verteilt. Er lässt sich vor allem in den Organen nieder, die stark von Blut durchströmt werden: Leber, Niere, Milz. Und genau dort richtet er Unheil an. Bei Menschen mit Brandwunden oder schwachem Immunsystem wie Diabetikern und Transplantationspatienten breitet sich der Pilz besonders schnell aus. Dann hilft oft nur noch ein chirurgischer Eingriff an den betroffenen Stellen oder medikamentöse Behandlung. Die Zahl der Betroffenen einer solchen Pilzinfektion hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen.
Um die Therapie zu verbessern und den Patienten schneller helfen zu können, haben sich Kerstin Voigt und ihr Team vom HKI des Pilzes Lichtheimia corymbifera genauer angenommen. „Uns ist es gelungen, die DNA zu entschlüsseln.“ Mit ihren Erkenntnissen erweitert die Gruppe nicht nur das Wissen um die bisher kaum erforschte Familie der Jochpilze, zu welchen Lichtheimia corymbifera zählt, sondern wendet sich einer besonders aggressiven Gruppe von Schimmelpilzen zu. Jochpilze verderben äußert effektiv Nahrungsmittel wie Obst oder Brot. Die Enzyme, die sie dafür einsetzen, werden heute beispielsweise bei der Herstellung von Fruchtsäften biotechnologisch genutzt.
Im Fall von Lichtheimia corymbifera versuchen die HKI-Wissenschaftler nun die Gene zu bestimmen, die für die schädliche Aktivität des Pilzes ausschlaggebend sind. „Die Pflicht haben wir getan, jetzt kommt die Kür. Der nächste Schritt wird sein, die DNA so zu beeinflussen, dass der Pilz nicht mehr das menschliche Gewebe angreift.“ Hinzu kommt, dass es sich bei Lichtheimia um einen der ältesten Pilze überhaupt handelt. Gelingt es, mehr über ihn herauszufinden, könnte auch die Therapie anderer Pilzinfektionen davon profitieren.
Originalveröffentlichung
Schwartze VU, Winter S, Shelest E, Marcet-Houben M, Horn F, Wehner S, Linde J, Valiante V, Sammeth M, Riege K, Nowrousian M, Kaerger K, Jacobsen ID, Marz M, Brakhage AA, Gabaldón T, Böcker S, Voigt K (2014) Gene expansion shapes genome architecture in the human pathogen Lichtheimia corymbifera: an evolutionary genomics analysis in the ancient terrestrial mucorales (Mucoromycotina). PLoS Genet 10(8), e1004496.
Informationen zum HKI
Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet modifiziert.
Das HKI verfügt über fünf wissenschaftliche Abteilungen, deren Leiter gleichzeitig berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut, darunter das anwendungsorientierte Biotechnikum als Schnittstelle zur Industrie. Gemeinsam mit der FSU betreibt das HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten mehr als 380 Personen am HKI, davon 130 als Doktoranden.
Das HKI ist Initiator und Kernpartner großer Verbundprojekte wie der Exzellenz-Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio) und ChemBioSys, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics sowie von InfectControl 2020 – Neue Antiinfektionsstrategien, einem Vorhaben im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Seit 2014 ist das HKI Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.
Informationen zur Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 89 selbständige Forschungseinrichtungen. Deren Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante Fragestellungen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an.
Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen intensive Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der WissenschaftsCampi –, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam.
Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 17.200 Personen, darunter 8.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,5 Milliarden Euro.
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