Paradoxe Paarbeziehung
Bakterien aktivieren Wirkstoffbildung in Pilz – Wirkstoff hindert bakterielle Sporen an Keimung
Jena. Nicht nur Tiere und Pflanzen konkurrieren um Lebensraum: Auch Mikroorganismen besetzen gleiche Habitate und kämpfen um Nahrung. So verhält es sich auch bei dem Bakterium Streptomyces rapamycinicus und dem Pilz Aspergillus fumigatus. Haben sie Kontakt, regt das Bakterium den Pilz an, Fumigermin zu bilden. Dieser neu entdeckte Naturstoff unterbindet die Keimung der Sporen des Bakteriums. So entledigt sich der Pilz seines unliebsamen Nahrungskonkurrenten. Forscher aus Jena veröffentlichten ihre Erkenntnisse dazu kürzlich in eLife.
Ein Jenaer Forscherteam um Axel Brakhage vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – konnte ein neues pilzliches Stoffwechselprodukt – das Fumigermin – identifizieren. Dieser bislang unbekannte Naturstoff wird vom Pilz Aspergillus fumigatus gebildet, wenn er mit Bakterien der Spezies Streptomyces rapamycinicus zusammenkommt. „Wir konnten zeigen, dass Fumigermin die Keimung der Bakteriensporen hemmt“, sagt Brakhage. Damit verhindert der Pilz, dass sich die Bakterien weiter ausbreiten. „Fumigermin hilft dem Pilz also, Ressourcen im gemeinsamen Habitat gegen den bakteriellen Konkurrenten zu verteidigen“, so Brakhage weiter.
Voraussetzung für die Bildung von Fumigermin ist der direkte Kontakt zwischen Bakterium und Pilz. Im Labor kultivierten die Wissenschaftler beide Spezies zusammen. Dabei fanden sie heraus, dass die Bakterien die Aktivierung eines normalerweise passiven, „stillen“ Genclusters im Pilz auslösen. Das daraus resultierende Naturprodukt ist Fumigermin. „Wir konnten die Polyketidsynthase FgnA als wichtiges Enzym für den Biosyntheseweg ausmachen“, sagt Brakhage. Doch welcher molekulare Mechanismus die Gene aktiviert, ist derzeit noch unklar. Mit eng verwandten Bakterienspezies funktionierte die Genaktivierung nur wenig bis gar nicht, sodass kein Fumigermin gebildet wird.
Fumigermin zählt zur Gruppe der Sekundärmetaboliten. Mikroorganismen nutzen solche Stoffwechselprodukte, um sich untereinander zu verständigen. Das stellt die Forschung vor eine spezielle Herausforderung, da Mikroorganismen im Labor zumeist voneinander isoliert kultiviert werden. Für die Herstellung dieser chemischen Verbindungen brauchen Mikroorganismen allerdings die Gegenwart von anderen. Nur in Kommunikations- und Interaktionssituationen miteinander produzieren sie Botenstoffe, die der Kommunikation zwischen verschiedenen Organismenarten dienen. In diesem Fall ist besonders interessant, dass die produzierte Substanz gegen den auslösenden Mikroorganismus wirkt. Diese Erkenntnis könnte von Bedeutung für die Entdeckung von Antibiotika gegen bestimmte Mikroorganismen sein. Das Forschungsprojekt gehört zum Jenaer Sonderforschungsbereich „ChemBioSys“, in dem die Bildung und Funktion von mikrobiellen Naturstoffen in mikrobiellen Interaktionssystemen untersucht wird.
Originalpublikation
Stroe MC, Netzker T, Scherlach K, Krüger T, Hertweck C, Valiante V, Brakhage AA (2020) Targeted induction of a silent fungal gene cluster encoding the bacteria-specific germination inhibitor fumigermin. eLife 9, DOI: 10.7554/eLife.52541.
Bildunterschriften
20-08_Pilz und Bakterium.jpg
Gemeinsame Kultur des Pilzes Aspergillus fumigatus und des Bakteriums Streptomyces rapamycinicus in einer elektronenmikroskopischen Aufnahme.
Quelle: Sandor Nietzsche (Elektronenmikroskopisches Zentrum), Leibniz-HKI
20-08_Struktur Fumigermin.jpg
Struktur von Fumigermin
Quelle: Maria Stroe (Leibniz-HKI)
Das Leibniz-HKI
Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des Leibniz-HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet modifiziert.
Das Leibniz-HKI verfügt über fünf wissenschaftliche Abteilungen, deren Leiter gleichzeitig berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut, darunter das anwendungsorientierte Biotechnikum als Schnittstelle zur Industrie. Gemeinsam mit der FSU betreibt das HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten etwa 450 Personen am Leibniz-HKI, davon 150 als Doktoranden.
Das Leibniz-HKI ist Initiator und Kernpartner großer Verbundvorhaben wie dem Exzellenzcluster Balance of the Microverse, der Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio) und ChemBioSys, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics sowie von InfectControl 2020, einem Konsortium im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Das Leibniz-HKI ist zudem Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.
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Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 96 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften.
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