Pilz bietet Schutz gegen bakteriellen Angreifer
Forscherteam aus Jena entschlüsselt komplexes Wechselspiel zwischen Bakterium, Pilz und Pflanze
Von Alena Gold
Jena. Bakterien der Gattung Streptomyces bilden zahlreiche Wirkstoffe, die ihr Überleben in der Natur sichern und dabei helfen, Nahrungskonkurrenten fernzuhalten. So sind die von manchen Streptomyceten gebildeten Azalomycine antimikrobiell aktiv und schädigen auch Zellen höherer Organismen, darunter die Grünalge Chlamydomonas reinhardtii. Die Alge geht aktiv eine Partnerschaft mit dem Schimmelpilz Aspergillus nidulans ein und ist damit vor der Schadwirkung durch Azalomycin F geschützt. Ein Forscherteam aus Jena hat sich das komplexe Wechselspiel zwischen Bakterium, Pilz und Pflanze genauer untersucht.
Drei Teams um Axel Brakhage, Christian Hertweck und Maria Mittag vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena untersuchten das Zusammenleben von Pilzen, Algen und Bakterien. Sie fanden heraus, dass sich der Schimmelpilz Aspergillus nidulans und die Grünalge Chlamydomonas reinhardtii zu einer flechtenartigen Gemeinschaft zusammenschließen und damit den Angriff des Bakteriums Streptomyces iranensis auf die Alge abwehren. „Von dieser Partnerschaft profitiert vor allem die Grünalge, denn sie ist anfällig für den bakteriellen Wirkstoff Azalomycin F, das zu ihrem Absterben führt“, sagt Brakhage, Direktor des Leibniz-HKI, der gleichzeitig einen Lehrstuhl an der Universität Jena innehat. Die Anwesenheit von C. reinhardtii löst bei S. iranensis die Abgabe des antibiotischen Azalomycin F aus. Dieses tötet die Grünalge, kann dem Pilz A. nidulans jedoch nichts anhaben. Vielmehr bindet A. nidulans Azalomycin F an bestimmte Lipide in seiner Zellmembran, wodurch sie für die Grünalge unschädlich werden. „Allerdings müssen die Grünalge und der Pilz bereits gemeinsam kultiviert worden sein, bevor man S. iranensis hinzufügt. Bringt man die drei Mikroorganismen gleichzeitig zusammen, wirkt der Schutzmechanismus noch nicht“, so Brakhage.
Anhand eines speziellen Verfahrens konnten die Mikrobiologen zudem beobachten, dass die Partnerschaft von C. reinhardtii und A. nidulans nicht rein zufällig zustande kommt: Die Grünalge schwimmt aktiv auf den Pilz zu. Zusätzlich zur Schutzwirkung vor dem Gift beschleunigt der flechtenartige Zusammenschluss das Wachstum der Grünalge und erhöht ihre Zelldichte, wie die Forscherinnen und Forscher ebenfalls entdeckten. „Wir verstehen jedoch noch nicht warum Azalomycin F die Grünalge nur bei Licht und nicht bei Dunkelheit tötet. Dieses Beispiel zeigt zum einen, welche erstaunliche Dynamik in mikrobiellen Gemeinschaften herrscht, zum anderen aber auch, dass wir bei der Erforschung dieser Zusammenhänge noch am Anfang stehen“, sagt Brakhage.
Dem Studium solcher komplexer Interaktionen widmen sich auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Exzellenzcluster „Balance of the Microverse“ (Sprecher Axel Brakhage) und dem Sonderforschungsbereich „ChemBioSys“ der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Sprecher Christian Hertweck). Das Ziel ist es, ein ganzheitliches Verständnis über die Interaktionen in mikrobiellen Gemeinschaften zu erlangen und dieses für die Entwicklung von Technologien, die positive Auswirkungen auf Mensch und Natur haben, zu nutzen.
Die Ergebnisse wurden soeben in der Fachzeitschrift The ISME Journal veröffentlicht.
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Originalpublikation
Krespach MKC, García-Altares M, Flak M, Schoeler H, Scherlach K, Netzker T, Schmalzl A, Mattern DJ, Schroeckh V, Komor A, Mittag M, Hertweck C, Brakhage AA (2020) Lichen-like association of Chlamydomonas reinhardtii and Aspergillus nidulans protects algal cells from bacteria. ISME J 2020, doi:10.1038/s41396-020-0731-2.
Bildunterschrift
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Die Mikroskopaufnahme zeigt die Grünalge Chlamydomonas reinhardtii (grün) und den Pilz Aspergillus nidulans (fadenförmig).
Quelle: Mario Krespach, Leibniz-HKI
Das Leibniz-HKI
Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des Leibniz-HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet modifiziert.
Das Leibniz-HKI verfügt über sechs wissenschaftliche Abteilungen und vier Forschungsgruppen, deren Leiter überwiegend berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut, darunter das anwendungsorientierte Biotechnikum als Schnittstelle zur Industrie. Gemeinsam mit der FSU betreibt das HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten etwa 450 Personen am Leibniz-HKI, davon 150 als Doktoranden.
Das Leibniz-HKI ist Initiator und Kernpartner großer Verbundvorhaben wie dem Exzellenzcluster Balance of the Microverse, der Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio) und ChemBioSys, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics sowie von InfectControl, einem Konsortium im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Das Leibniz-HKI ist zudem Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.
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