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Schimmelpilze – Quelle chemischer Vielfalt
Pilze und Pflanzen gehen gleiche Wege in der Alkaloid-Synthese
Jena. Der Schimmelpilz Aspergillus fumigatus bildet eine Gruppe bislang unbekannter Naturstoffe, die in Anlehnung an pflanzliche Isochinolin-Alkaloide als Fumisoquine bezeichnet werden. Forscher aus Jena kamen den neuen Substanzen gemeinsam mit amerikanischen Kollegen auf die Spur, als sie das Genom des Pilzes näher unter die Lupe nahmen. Die Substanzfamilie der Isochinolin-Alkaloide enthält viele pharmakologisch aktive Moleküle. Die soeben in Nature Chemical Biology publizierte Arbeit zeigt, dass Pilze und Pflanzen unabhängig voneinander ähnliche Synthesewege für diese komplexen Moleküle entwickelt haben. Das wiederum macht Pilze für die Suche nach neuen Arzneistoffen und deren biotechnologische Herstellung interessant.
Eine große Zahl von Medikamenten, die wir heute nutzen, hat ihren Ursprung in der Natur. Meistens sind es Mikroorganismen oder Pflanzen, die uns Moleküle bereitstellen, die wir direkt oder in abgewandelter Form in Arzneistoffen wiederfinden und die auf diese Weise eine positive Wirkung für die menschliche Gesundheit entfalten. Entsprechend groß ist das Interesse, immer wieder neue Wirkstoffe in der Natur aufzuspüren und für die Behandlung von Krankheiten zu verwenden.
Eine bekannte Gruppe pflanzlicher Stoffwechselprodukte sind die Isochinolin-Alkaloide. Man kennt davon heute über 2500 verschiedene Vertreter, sie kommen vor allem im Mohn- und Berberitzengewächsen vor. Bekannte Beispiele sind das schmerzstillende Morphin oder auch Codein, das bei Reizhusten eingesetzt wird.
Gemeinsam mit amerikanischen Kollegen haben Teams um Dirk Hoffmeister und Axel Brakhage von der Friedrich-Schiller-Universität Jena nun herausgefunden, dass Pilze bestimmte Naturstoffe auf ganz ähnlichem Wege synthetisieren. Sie analysierten das Genom des verbreiteten Schimmelpilzes und entdeckten dabei eine kleine Gruppe von Genen, deren Funktion bislang unbekannt war. Ein Vergleich der Gensequenz mit bekannten Daten legte nahe, dass die betreffenden Gene für die Synthese von noch unbekannten Naturstoffen verantwortlich sein könnten.
Durch Genmanipulation, Charakterisierung der entstehenden Stoffwechselprodukte und radioaktive Markierungsexperimente gelang es schließlich, die Struktur der neuen Moleküle zu ermitteln und auch den Weg ihrer Biosynthese im Detail zu entschlüsseln. Die Forscher entdeckten dabei einen bei Pilzen bislang unbekannten Weg der Verknüpfung von Kohlenstoffatomen. Der gesamte Syntheseweg der Fumisoquine erscheint dabei als eine Kombination pflanzlicher Prinzipien der Biosynthese und solchen der sogenannten nichtribosomalen Peptidsynthese, die bei Pilzen weit verbreitet ist. Universitätsprofessor Axel Brakhage, gleichzeitig Direktor des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie, erläutert: „Pilze und Pflanzen haben sich in der Evolution schon sehr früh voneinander getrennt. Der neu gefundene Syntheseweg für Fumisoquine zeigt, dass es für die Wirkstoffgruppe der Isochinolin-Alkaloide offenbar eine Parallelentwicklung bei beiden Organismengruppen gegeben hat. Dies eröffnet uns neue Wege, durch kombinatorische Biotechnologie die Wirkstoffsuche und -entwicklung voranzutreiben und so zu neuen, dringend benötigten Medikamenten zu gelangen.“
Dirk Hoffmeister, Professor am Institut für Pharmazie der Friedrich Schiller-Universität freut sich: „Die jetzt veröffentlichte Studie ist ein schönes Beispiel für die enge Zusammenarbeit der Universität mit dem Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – und unseren amerikanischen Partnern. Gute Forschung kennt eben keine Grenzen.“
Die internationale Wissenschaftlervereinigung „Faculty of 1000“ hat die Arbeit in ihre Hitliste für richtungsweisende Forschungsergebnisse aufgenommen.
Bildunterschriften
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Der Schlafmohn Papaver somniferum bildet ebenso wie andere Mohn- und Berberitzengewächse eine Vielzahl von Isochinolin-Alkaloiden.
Quelle: FSU/Dirk Hoffmeister
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Der Schimmelpilz Aspergillus fumigatus bildet Fumisoquine auf einem ähnlichen Weg wie Pflanzen.
Quelle: HKI/Schmaler-Ripcke, Kloss, Yu
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Ein Sporenträger von Aspergillus fumigatus. Der Schimmelpilz bildet Fumisoquine auf einem ähnlichen Weg wie Pflanzen.
Quelle: HKI/Jeannette Schmaler-Ripcke
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Fumisoquin A, eines der neu entdeckten Isochinolin-Alkaloide, die von Aspergillus fumigatus gebildet werden.
Quelle: HKI/Florian Kloss
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Fumisoquin B, eines der neu entdeckten Isochinolin-Alkaloide, die von Aspergillus fumigatus gebildet werden.
Quelle: HKI/Florian Kloss
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Fumisoquin C, eines der neu entdeckten Isochinolin-Alkaloide, die von Aspergillus fumigatus gebildet werden.
Quelle: HKI/Florian Kloss
Originalpublikation
Baccile JA, Spraker JE, Le HH, Brandenburger E, Gomez C, Bok JW, Macheleidt J, Brakhage AA, Hoffmeister D, Keller NP, Schroeder FC (2016) Plant-like biosynthesis of isoquinoline alkaloids in Aspergillus fumigatus. Nature Chemical Biology 12(6), 419-424. doi: 10.1038/nchembio.2061.
Informationen zum HKI
Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet modifiziert.
Das HKI verfügt über fünf wissenschaftliche Abteilungen, deren Leiter gleichzeitig berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut, darunter das anwendungsorientierte Biotechnikum als Schnittstelle zur Industrie. Gemeinsam mit der FSU betreibt das HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten etwa 400 Personen am HKI, davon 130 als Doktoranden.
Das HKI ist Initiator und Kernpartner großer Verbundvorhaben wie der Exzellenz-Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio) und ChemBioSys, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics sowie von InfectControl 2020, einem Konsortium im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Seit 2014 ist das HKI Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.
Informationen zur Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 88 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.100 Personen, darunter 9.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,6 Milliarden Euro.
Ansprechpartner
Dr. Michael Ramm
Wissenschaftliche Organisation
Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie e. V. – Hans-Knöll-Institut (HKI) –
Adolf-Reichwein-Straße 23
07745 Jena
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www.leibniz-hki.de
Fungi – a promising source of chemical diversity
Moulds and plants share similar ways in alkaloid biosynthesis
Jena. The fungus Aspergillus fumigatus produces a group of previously unknown natural products. With reference to plant isoquinoline alkaloids, these substances have been named fumisoquins. Researchers from Jena discovered the novel substances together with their American colleagues while studying the fungal genome. The family of isoquinoline alkaloids contains many pharmacologically active molecules. This study, which has just been published in Nature Chemical Biology, shows that fungi and plants developed biosynthetic pathways for these complex molecules independently of each other. These findings make Aspergillus an interesting target for the discovery of novel drugs and their biotechnological production.
A large number of drugs used today originate from nature. Most of these molecules, which can be found with or without synthetic modifications and exert their beneficial effect on human health, are derived from microorganisms or plants. Thus, it is of great interest to discover novel active compounds in nature and use them for the treatment of diseases.
One well-known group of plant metabolites are the isoquinolinealkaloids. Today more than 2,500 different types are known and they are mainly found in poppy and barberry plants. Famous examples include the painkiller morphine or the cough remedy codein.
Together with colleagues from the US, scientists in the labs of Dirk Hoffmeister and Axel Brakhage at the Friedrich Schiller University in Jena found out that fungi synthesize certain natural products in a very similar way to plants. They analyzed the genome of the common mold Aspergillus and discovered a small cluster of genes whose function was previously unknown. Comparing these genetic sequences with known data implied that they might be responsible for the synthesis of novel natural products.
By manipulating the genetic sequences, characterizing the resulting metabolites and using radioactive labeling experiments it was possible to elucidate the structure of the novel molecules and to unravel the detailed biosynthetic pathways. The researchers discovered a new linkage mechanism for carbon atoms which had never been seen before in fungi. The whole fumisoquinbiosynthetic pathway appears to be a combination of plant biosynthetic principles and the non-ribosomal peptide synthetases commonly found in fungi.
Axel Brakhage, university professor and head of the Leibniz Institute for Natural Product Research and Infection Biology, explains: “Fungi and plants diverged early on during evolution. The newly discovered fumisoquinsynthesis pathway shows that there was a parallel development for the production of isoquinolinealkaloid compounds in both groups of organisms. This opens up new roads for combinatorial biotechnology in order to advance the search for novel active compounds and thus to develop urgently needed new drugs.”
Dirk Hoffmeister, professor at the Institute for Pharmacy at Friedrich Schiller University, is pleased with the joint efforts: “The published study is a great example of the tight collaboration between the university and the Leibniz Institute for Natural Product Research and Infection Biology – Hans Knöll Institute – and our American partners. Good research does not know any borders.”
The international scientific association “Faculty of 1000“ included this publication in their hit list of seminal research results.
Figures and legends
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DBreadseed poppies Papaver somniferum as well as many other poppy and barberry plants produce many Isochinoline alkaloids.
Copyright: FSU/Dirk Hoffmeister
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The fungus Aspergillus fumigatus produces Fumisoquine in a way similar to plants.
Copyright: HKI/Schmaler-Ripcke, Kloss, Yu
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A conidiophore of the fungus Aspergillus fumigatus. The fungus produces Fumisoquine in a way similar to plants.
Copyright: HKI/Jeannette Schmaler-Ripcke
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Fumisoquin A, one of the novel Isochinoline alkaloids produced by Aspergillus fumigatus.
Copyright: HKI/Florian Kloss
16-09_Bild_5_Fumisoquin_B.jpg
Fumisoquin B, one of the novel Isochinoline alkaloids produced by Aspergillus fumigatus.
Copyright: HKI/Florian Kloss
16-09_Bild_6_Fumisoquin_C.jpg
Fumisoquin C, one of the novel Isochinoline alkaloids produced by Aspergillus fumigatus.
Copyright: HKI/Florian Kloss
Original publication
Baccile JA, Spraker JE, Le HH, Brandenburger E, Gomez C, Bok JW, Macheleidt J, Brakhage AA, Hoffmeister D, Keller NP, Schroeder FC (2016) Plant-like biosynthesis of isoquinoline alkaloids in Aspergillus fumigatus. Nature Chemical Biology 12(6), 419-424. doi: 10.1038/nchembio.2061.
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