Schnelle Reaktion auf wuchernde Pilze
Vielversprechender neuer Schnelltest bei Pilzinfektionen
Von Astrid Bergmeister und Tina Kunath
Jena. Schimmelpilze sind für die meisten Menschen ungefährlich. Wir begegnen ihnen im Haushalt, am Kompost oder im Wald. Bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem können sie jedoch schwerwiegende Infektionen in Gehirn oder Lunge auslösen. Bislang konnten die Infektionen kaum oder nur mit einem hohen Risiko diagnostiziert werden. Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI) gelang nun in einem Team mit Kölner und Berliner Kollegen der Durchbruch für ein neues Testverfahren mit Pilz-reaktiven T-Zellen. Das HKI steuerte dabei seine Expertise zur Entwicklung eines schnellen Bluttests bei.
Organinfektionen durch Pilze stellen Ärzte vor kaum lösbare Probleme. Patienten mit einem erheblich geschwächten Immunsystem wie Leukämiepatienten oder schlecht eingestellte Diabetiker erkranken häufig an Infektionen des Gehirns, der Nasennebenhöhlen oder der Lunge. Verantwortlich hierfür sind die Schimmelpilze Mucor und Aspergillus, die schnell durch Organe hindurch wachsen, mitunter ganze Zentimeter pro Tag. Im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung liegt die Sterblichkeit bei bis zu 100 Prozent. Bisher fehlte es an schnellen, verlässlichen, risikoarmen Testverfahren im frühen Stadium, sodass therapeutische Maßnahmen zu spät eingeleitet werden konnten.
Einem bundesweiten Team aus Wissenschaftlern um Oliver Cornely vom Exzellenzcluster CECAD an der Universität zu Köln und der Uniklinik Köln gelang in einem interdisziplinären Forschungsprojekt der Durchbruch in der Entwicklung einer zuverlässigen Diagnostik im frühen Krankheitsstadium. Daran beteiligt waren ebenso Wissenschaftler der Berliner Charité, des deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin, der nordrhein-westfälischen Miltenyi Biotec GmbH und des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI). Die Forscher entwickelten gemeinsam ein Verfahren, mit dessen Hilfe körpereigene Immunzellen, die auf eine Pilzinfektion reagieren, im Blut von Patienten nachweisbar sind. Somit werden die Immunzellen als hochsensitive und spezifische Sensoren für Krankheitserreger genutzt.
„An einer Vorstudie an der Uniklinik Köln nahmen 69 Patienten teil, in deren Blut die Zahl der Abwehrzellen gegen Schimmelpilze gemessen wurde“, sagt Oliver Cornely. „Wir konnten zeigen, welche Pilzart die Patienten infiziert hatte. Wenn ein Infektionsherd chirurgisch entfernt wurde, dann sank die Zahl der Abwehrzellen. Die Ergebnisse sind vielversprechend, müssen aber an einer größeren Zahl von Patienten bestätigt werden. Nun soll eine größere Vergleichsstudie folgen.“ Das Forscherteam erhofft sich von einer größeren Vergleichsstudie ein neues Standard-Diagnostikverfahren, das die Überlebenschancen von betroffenen Patienten erheblich steigern wird.
Im Medizin-Fachblatt American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine berichtet das Forscherteam nun über diese weitreichenden Ergebnisse.
Originalpublikation
Petra Bacher, Angela Steinbach, Olaf Kniemeyer, Axel Hamprecht, Mario Assenmacher, Maria J. G. T. Vehreschild, Jörg J. Vehreschild, Axel A. Brakhage, Oliver A. Cornely, Alexander Scheffold (2015) Fungus-Specific CD4+ T Cells for Rapid Identification of Invasive Pulmonary Mold Infection. American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine 191(3), 348-352. doi: 10.1164/rccm.201407-1235LE
Informationen zum HKI
Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet modifiziert.
Das HKI verfügt über fünf wissenschaftliche Abteilungen, deren Leiter gleichzeitig berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut, darunter das anwendungsorientierte Biotechnikum als Schnittstelle zur Industrie. Gemeinsam mit der FSU betreibt das HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten mehr als 380 Personen am HKI, davon 130 als Doktoranden.
Das HKI ist Initiator und Kernpartner großer Verbundprojekte wie der Exzellenz-Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio) und ChemBioSys, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics sowie von InfectControl 2020 – Neue Antiinfektionsstrategien, einem Vorhaben im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Seit 2014 ist das HKI Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.
Informationen zur Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 89 selbständige Forschungseinrichtungen. Deren Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante Fragestellungen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an.
Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen intensive Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der WissenschaftsCampi –, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam.
Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 17.200 Personen, darunter 8.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,5 Milliarden Euro.
Ansprechpartner
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Wissenschaftliche Organisation
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