Uralter Pilz und nagelneues Antibiotikum
Neun HKI-Wissenschaftler erhielten den medac-Forschungspreis 2014
Von Tina Kunath
Jena. Die Veröffentlichung der eigenen Arbeit in einer international renommierten Zeitschrift ist der ultimative Lohn für jahrelanges Forschen. Neun Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI) erhielten nun noch eine weitere Ehrung: Sie wurden mit dem medac-Forschungspreis 2014 ausgezeichnet.
Einer der ältesten Pilze überhaupt, Lichtheimia corymbifera, ist ein fester Akteur im Abbau von toten, organischen Materialien in der Natur. Manchmal jedoch ist er zu „früh“ dran und befällt lebende Personen, deren Immunsystem beispielsweise durch Diabetes oder eine Transplantation geschwächt ist. Verbreitet sich der Pilz über die Blutbahn im Körper, ist er nur noch durch einen chirurgischen Eingriff oder eine Chemotherapie zu stoppen. Volker Schwartze, Ekatarina Shelest, Fabian Horn, Jörg Linde, Vito Valiante und Kerstin Kaerger ist es gelungen, das Erbgut des Pilzes zu entschlüsseln. Mit diesem Wissen können die Forscher aus vier unterschiedlichen Gruppen des HKI nun versuchen herauszufinden, welche speziellen Gene für die Infektion verantwortlich sind, um langfristig neue Therapien entwickeln zu können. Die Arbeit wurde in der international renommierten Fachzeitschrift PLoS Genetics veröffentlicht.
Das Wissenschaftlerteam aus Sacha Pidot, Keishi Ishida und Michael Cyrulies konnte seine Erkenntnisse in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie International Edition veröffentlichen. Mit ihrer Forschung reagierten sie auf das aktuelle Problem der multiresistenten Krankheitserreger, die auch in deutschen Krankenhäusern immer mehr Patienten betreffen. Sie begaben sich auf die Suche nach einem neuen Wirkstoff und fanden im Bakterium Clostridium beijerinckii ein völlig neues Antibiotikum. Dieses weist hohes Potential auf, gegen multiresistente Erreger wie den Klinikkeim MRSA wirksam zu sein.
Ausgewählt vom wissenschaftlichen Beirat des HKI, wurden die Forscher anlässlich der Sitzung des Kuratoriums ausgezeichnet. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wird vom mittelständischen Pharmaunternehmen medac GmbH mit Sitz in Wedel bei Hamburg gestiftet. Dem Unternehmen liegt viel daran, junge Wissenschaftler zu fördern und sie zum interdisziplinären Austausch anzuregen.
Originalveröffentlichungen
Schwartze VU, Winter S, Shelest E, Marcet-Houben M, Horn F, Wehner S, Linde J, Valiante V, Sammeth M, Riege K, Nowrousian M, Kaerger K, Jacobsen ID, Marz M, Brakhage AA, Gabaldón T, Böcker S, Voigt K (2014) Gene expansion shapes genome architecture in the human pathogen Lichtheimia corymbifera: An evolutionary genomics analysis in the ancient terrestrial Mucorales (Mucoromycotina). PLoS Genet 10: e1004496.
Pidot S, Ishida K, Cyrulies M, Hertweck C (2014) Discovery of clostrubin, an exceptional polyphenolic polyketide antibiotic from a strictly anaerobic bacterium. Angew Chem Int Ed Engl 53, 7856-7859.
Die Preisträger
Volker Schwartze (Jena Microbial Resource Collection)
Dr. Ekatarina Shelest (Systembiologie und Bioinformatik)
Dr. Fabian Horn (Systembiologie und Bioinformatik)
Dr. Jörg Linde (Systembiologie und Bioinformatik)
Dr. Vito Valiante (Molekulare und Angewandte Mikrobiologie)
Dr. Kerstin Kaerger (Nationales Referenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen)
Dr. Sacha Pidot (Biomolekulare Chemie)
Dr. Keishi Ishida (Biomolekulare Chemie)
Michael Cyrulies (Biotechnikum)
Bildunterschrift
Glückliche Preisträger am Hans-Knöll-Institut (v.l.n.r.): Institutsdirektor Axel Brakhage und der Geschäftsführer der medac GmbH, Nikolaus Graf zu Stolberg überreichten die medac Forschungspreise 2014 an Vito Valiante, Keishi Ishida, Michael Cyrulies, Fabian Horn, Jörg Linde, Volker Schartze und Elkaterina Shelest. Nicht im Bild: Kerstin Kaerger die soeben Mutter wurde und Sacha Pidot, der inzwischen in Australien arbeitet.
Informationen zum HKI
Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet modifiziert.
Das HKI verfügt über fünf wissenschaftliche Abteilungen, deren Leiter gleichzeitig berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut, darunter das anwendungsorientierte Biotechnikum als Schnittstelle zur Industrie. Gemeinsam mit der FSU betreibt das HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten mehr als 380 Personen am HKI, davon 130 als Doktoranden.
Das HKI ist Initiator und Kernpartner großer Verbundprojekte wie der Exzellenz-Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, des Sonderforschungsbereiches/Transregio FungiNet, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics sowie von InfectControl 2020 – Neue Antiinfektionsstrategien, einem Vorhaben im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Seit 2014 ist das HKI Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.
Informationen zur Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 89 selbständige Forschungseinrichtungen. Deren Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante Fragestellungen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen intensive Kooperationen mit den Hochschulen ‑ u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi ‑, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 17.500 Personen, darunter 8.800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,5 Milliarden Euro.
Ansprechpartner
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Wissenschaftliche Organisation
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Adolf-Reichwein-Straße 23
07745 Jena
+49 3641 532-1011
+49 176 54909562
michael.ramm@hki-jena.de
www.leibniz-hki.de
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