Verbrüderung im Kleinen
Forschung zu Bakterium-Pilz-Symbiose wurde in eLife veröffentlicht
Von Tina Kunath
Jena. Treffen zwei Organismen in der Natur aufeinander, haben sie meistens nur eins im Sinn, nämlich sich selbst. Das muss aber nicht immer so sein: Der Pilz Rhizopus microsporus und das Bakterium Burkholderia rhizoxinica leben friedlich miteinander – und produzieren dabei einen Wirkstoff, der Reispflanzen krankmacht. Wie sich das Zusammenleben der beiden Organismen gestaltet, haben HKI-Wissenschaftler in einer Arbeit beschrieben, die nun in der Fachzeitschrift eLife veröffentlicht wurde.
Schon seit drei Jahrzehnten beschäftigen sich Forscher weltweit mit Rhizoxin, einem Gift, das nicht nur Reispflanzen schadet, sondern auch eine bedeutsame medizinische Wirkung gegen Krebszellen hat. Was die Substanz zudem interessant macht, ist ihre Herkunft: Sie entsteht im Zusammenleben zwischen einem Pilz und einem Bakterium in sogenannter Endosymbiose. „Wenn Lebewesen in der Natur aufeinander treffen, haben sie oft die Tendenz gegeneinander zu kämpfen“, so Zerrin Üzüm, Doktorandin am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI). „Wir haben uns gefragt: Warum bleiben die beiden zusammen?“
Die Forscher der Abteilung Biomolekulare Chemie fanden heraus: Beide Organismen profitieren von der Endosymbiose. Der Pilz benötigt das Bakterium, um sich fortzupflanzen, das Bakterium hingegen erhält durch das Zusammenleben optimale Lebensbedingungen. „Über die Jahrtausende haben sich die beiden aneinander gewöhnt“, sagt Zerrin Üzüm, die gemeinsam mit Nadine Moebius und Gerald Lackner vom HKI sowie Jan Dijksterhuis vom CBS-KNAW Fungal Biodiversity Centre in Utrecht am ungleichen Paar forschte. „Wir fanden auch heraus, dass Rhizopus microsporus und Burkholderia rhizoxinica nicht nur miteinander, sondern auch buchstäblich ineinander leben.“
Mithilfe von ausgeschiedenen Enzymen heftet sich das Bakterium an die Zellwand des Pilzes und weicht diese soweit auf, dass es eindringen kann – eine bisher unbekannte Verhaltensweise. Was hier nach roher Gewalt klingt, ist jedoch ein sehr schonendes Verfahren: Das Bakterium setzt nur kleine Menge Enzyme ein, die den Pilz nicht verletzen. Ein sogenanntes Kryo-Elektronenmikroskop hielt die Zusammenkunft der beiden Lebewesen erstmals bildlich fest.
Das junge Wissenschaftsmagazin eLife veröffentlichte nun die Forschungsergebnisse. eLife wurde unter anderem von der Max-Planck-Gesellschaft, dem US-amerikanischen Howard Hughes Medical Institute und dem britischen Wellcome Trust ins Leben gerufen und geht im Bereich der wissenschaftlichen Publikationen einen innovativen Weg: Die Artikel werden nach einem transparenten Begutachtungsprozess frei zugänglich im Internet veröffentlicht.
Originalveröffentlichung
Moebius N, Üzüm Z, Dijksterhuis J, Lackner G, Hertweck C (2014) Active invasion of bacteria into living fungal cells. Elife 3, e03007.
Informationen zum HKI
Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet modifiziert.
Das HKI verfügt über fünf wissenschaftliche Abteilungen, deren Leiter gleichzeitig berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut, darunter das anwendungsorientierte Biotechnikum als Schnittstelle zur Industrie. Gemeinsam mit der FSU betreibt das HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten mehr als 380 Personen am HKI, davon 130 als Doktoranden.
Das HKI ist Initiator und Kernpartner großer Verbundprojekte wie der Exzellenz-Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio) und ChemBioSys, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics sowie von InfectControl 2020 – Neue Antiinfektionsstrategien, einem Vorhaben im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Seit 2014 ist das HKI Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.
Informationen zur Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 89 selbständige Forschungseinrichtungen. Deren Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante Fragestellungen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an.
Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen intensive Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der WissenschaftsCampi –, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam.
Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 17.200 Personen, darunter 8.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,5 Milliarden Euro.
Ansprechpartner
Dr. Michael Ramm
Wissenschaftliche Organisation
Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie e. V. – Hans-Knöll-Institut (HKI) –
Adolf-Reichwein-Straße 23
07745 Jena
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