Vom Sortieren bunter Tröpfchen
Wie Forscher Tropfen in der Mikrofluidik unterscheidbar machen
Von Alena Gold
Jena. Die Tropfen-Mikrofluidik bietet viele Vorteile: Mit dieser Methode können Mikroorganismen zahlreich, schnell und mit wenig Platzbedarf kultiviert werden. Ihre wesentliche Schwäche lag bisher jedoch darin, dass die verwendeten Tröpfchen nicht unterscheidbar waren. Mithilfe von kleinen Kunststoffkügelchen und Künstlicher Intelligenz haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie und der Friedrich-Schiller-Universität Jena eine Methode entwickelt, dies zu ändern. Ihre interdisziplinäre Studie dazu hat das Team um Dr. Martin Roth und Prof. Dr. Marc Thilo Figge im Fachjournal Small veröffentlicht.
Die Tropfen-Mikrofluidik ist ein Meilenstein in der Kultivierung und Erforschung von Mikroorganismen. Ihr Prinzip beruht auf der Unvermischbarkeit zweier Flüssigkeiten. Eine ölige und eine wässrige Flüssigkeit werden in einem winzigen Kanalsystem miteinander in Kontakt gebracht. Dabei umschließt die ölige Flüssigkeit die wässrige und es bilden sich kleinste Tröpfchen von etwa 200 Pikoliter Volumen. Mithilfe eines Helfermoleküls wird eine erneute Verschmelzung der einzelnen Tröpfchen verhindert. So dienen die Tröpfchen als winzige Bioreaktoren, die jeweils mit einer Bakterienzelle beimpft werden können. So erhält man große Mengen an Reinkulturen für die Suche nach neuen Mikroorganismen oder Wirkstoffen. Neben dem geringen Platzverbrauch ist diese Methode kostengünstig und funktioniert im Hochdurchsatz – also sehr schnell. Dadurch ist die Mikrofluidik in der Lage etwa die Suche nach neuen Antibiotika zu beschleunigen.
„Die Mikrofluidik hat viele Vorteile“, sagt Dr. Miguel Tovar vom Biotechnikum des Leibniz-HKI. „Aber bei mitunter wochenlanger Kultivierung kommen die Tropfen durcheinander, sodass wir keinen Überblick mehr haben, welches Bakterium in welchem Tropfen ist“, so Tovar weiter. Um dieses Problem zu lösen, zogen sie die Expertise der Forschungsgruppe Angewandte Systembiologie hinzu, die mithilfe Künstlicher Intelligenz ein System entwickelte, das die Tröpfchen nach Bakterienart oder experimentellen Bedingungen sortieren kann.
„Dazu haben wir zu den Tropfen kleine Kunststoffkügelchen in verschiedenen Farben und Kombinationen hinzugegeben“, erklärt Dr. Oksana Shvydkiv, verantwortlich für die Durchführung dieser Experimente am Biotechnikum. Diese in der Fachsprache Beads genannten Kügelchen codieren die Tröpfchen und deren Inhalt. „Eine Kamera erstellt ein Bild von jedem Tropfen, der durch den Kanal wandert. Anhand dieses Bildes analysiert ein Computer die Farben, um die Tröpfchen danach identifizieren und sortieren zu können“, fügt Dr. Carl-Magnus Svensson von der Forschungsgruppe Angewandte Systembiologie hinzu.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler führten zwei Experimente durch, um das Konzept zu testen und zu bestätigen. Im ersten Experiment fügten sie den Tropfen verschieden hohe Konzentrationen an Antibiotika hinzu und sortierten die Tröpfchen farblich kodiert. Dabei wurde immer eine Farbe oder Farbkombination für eine bestimmte Antibiotikadosierung verwendet. Das Ergebnis bestätigte die Annahme: Mithilfe der Mikrofluidik und der Farbcodes der Kügelchen können solche und vergleichbare Tests in Zukunft parallel durchgeführt werden. Das zweite Experiment führte das Team an einem antibiotikaresistenten Keim durch. Dabei testeten sie neun verschiedene Antibiotika. Von diesen erwiesen sich nur drei als wirksam. Wieder hatte die Zuordnung zu Gruppen nach Farbcodes funktioniert.
„Es ist für uns als Theoriegruppe sehr erfreulich, dass wir unsere Kollegen im Biotechnikum unterstützen können“, sagt Figge. Aktuell arbeiten er und seine Abteilung daran, verschiedene Fehlerquellen auszumerzen. In wenigen Fällen erkennt der Computer etwa die Farben der Beads nicht exakt und ordnet sie deshalb falsch zu. Auch die Anzahl an Farbkombinationen ist aus diesem Grund begrenzt. „Dennoch denke ich, dass wir etwa hundert verschiedene Farbkombinationen anwenden können“, sagt Svensson.
„Mikrofluidische Systeme erhöhen die Trefferzahl bei mikrobiologischen Suchverfahren, da sie in kurzer Zeit enorme Probenmengen durchsetzen können. Dies gelingt jedoch nur mit ausgefeilten optischen Technologien und einer sehr leistungsfähigen Datenverarbeitung. Im Leibniz ScienceCampus InfectoOptics sind all diese Kompetenzen vereinigt. Wir leisten damit einen wichtigen Beitrag für den neuen Jenaer Exzellenzcluster Balance of the Microverse. Dieser widmet sich der Dynamik und Regulation komplexer Mikrobengemeinschaften, den sogenannten Mikrobiomen. Die Mikrofluidik wird dazu beitragen, solche Mikrobiome und ihren Beitrag zur Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen besser zu verstehen“, so Figge, der die Professur für Angewandte Systembiologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena innehat.
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Originalpublikation
Svensson CM, Shvydkiv O, Dietrich S, Mahler L, Weber T, Choudhary M, Tovar M, Figge MT, Roth M (2019) Coding of experimental conditions in microfluidic droplet assays using colored beads and machine learning supported image analysis. Small 15(4), e1802384.
Bildunterschrift
19-05_Bunte Tröpfchen
Die bunten Farbkügelchen sind gemeinsam mit (hier nicht sichtbaren) Bakterien in verschiedenen Kombinationen in die Tropfen eingeschlossen. So können diese unterschieden und sortiert werden.
Quelle: Oksana Shvydkiv, Leibniz-HKI
Das Leibniz-HKI
Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des Leibniz-HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet modifiziert.
Das Leibniz-HKI verfügt über fünf wissenschaftliche Abteilungen, deren Leiter gleichzeitig berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut, darunter das anwendungsorientierte Biotechnikum als Schnittstelle zur Industrie. Gemeinsam mit der FSU betreibt das HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten etwa 430 Personen am Leibniz-HKI, davon 140 als Doktoranden.
Das Leibniz-HKI ist Initiator und Kernpartner großer Verbundvorhaben wie der Exzellenz-Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio) und ChemBioSys, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics sowie von InfectControl 2020, einem Konsortium im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Das Leibniz-HKI ist Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen und Kernpartner des Exzellenzclusters Balance of the Microverse.
Die Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 95 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 19.100 Personen, darunter 9.900 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro.
Ansprechpartner
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Wissenschaftliche Organisation
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