Von der Entzauberung magischer Pilze
Jenaer Naturstoff- und Pilzforscher rekonstruierten erstmals die Biosynthese bewusstseinserweiternder Substanzen aus Pilzen
Von Monika Weiß
Jena. Seit fast 60 Jahren ist der Stoff namens Psilocybin bekannt. Er verleiht den sogenannten Magic Mushrooms, auch Zauberpilze genannt, die Magie – also ihre starke psychedelische Wirkung. Ein Geheimnis blieb jedoch: Wie genau bilden die Pilze der Gattung Psilocybe diese wirkungsvolle Substanz? Das Forschungsteam um den Jenaer Professor Dirk Hoffmeister konnte es jetzt lüften.
Artefakte und Kunstwerke beweisen, dass indigene Völker Mittelamerikas bereits um 2000 vor unserer Zeitrechnung mit halluzinogenen Pilzen experimentierten. Sie verehrten die Zauberpilze und nutzten sie zu spirituellen Zwecken.
Was die Pilze zum Zaubern bringt
Zwar ist die naturwissenschaftliche Forschung seit den 1950er Jahren fasziniert von der pharmakologischen Wirkung der Pilze. Von göttlicher Zauberei und Magie lassen sich Wissenschaftler jedoch nicht beeindrucken: Schon 1958 isolierte der Schweizer Chemiker Albert Hofmann den Wirkstoff Psilocybin und klärte seine einzigartige chemische Struktur auf. Auch die Wirkungsweise des Naturstoffs, der dem „Glückshormon“ Serotonin ähnelt, ist weitgehend nachvollzogen. Darüber hinaus zeigten erste Studien aus den 1960er Jahren mögliche Wege auf, wie die Pilze dieses besondere Molekül bilden.
Doch welche Werkzeuge, sprich Enzyme, den Pilzen die besondere Fähigkeit zur Bildung von Psilocybin verleihen, war bisher unbekannt.
Dirk Hoffmeister ist Professor am Pharmazeutischen Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena und leitet eine assoziierte Forschungsgruppe am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut. Hoffmeisters Forscherteam gelang es nun, die Enzyme zu identifizieren, mit deren Hilfe die Pilze ihre magischen Substanzen aufbauen. Die Wissenschaftler stellten bei ihren Untersuchungen außerdem fest, dass die Biosynthese in einer anderen Reihenfolge stattfindet, als es ältere Studien beschrieben. Ihre Ergebnisse erschienen kürzlich in der renommierten Zeitschrift Angewandte Chemie.
Bahnbrechender Schritt zur kommerzialisierten Anwendung
Mithilfe des Modell-Bakteriums Escherichia coli ließen sich die zuvor identifizierten Enzyme produzieren. Auf diese Weise konnten Hoffmeister und Kollegen die Wirkstoff-Synthese im Labor rekonstruieren und Psilocybin ohne Pilzzellen herstellen. Die vorangegangenen Untersuchungen waren damit bestätigt.
„Mit der Herstellung von Psilocybin mittels Enzymen machten wir einen großen Schritt, dieses stark wirksame Molekül besser bereitzustellen“, macht Hoffmeister deutlich. „Hierzulande sind Magic Mushrooms zwar hauptsächlich als Freizeitdroge bekannt und haben dementsprechend ein zweifelhaftes Image. Doch das pharmazeutische Interesse an deren Wirkstoff Psilocybin nimmt gegenwärtig zu“, präzisiert der Professor die Bedeutung seiner Forschungsergebnisse mit dem Hinweis auf erste klinische Studien. Sie attestieren der Substanz Heilkräfte: Beispielsweise könnte sie in einer geringen Dosis die Angst von Patienten mit lebensbedrohlichem Krebs reduzieren oder die Symptome von Depressionen und Antriebslosigkeit lindern.
Bildmaterial
17-13_Psilocybe_cyanescens
Der Pilz Psilocybe cyanescens, auch bläuender Kahlkopf genannt, ist ein stark psilocybinbildender Pilz.
Quelle: Dirk Hoffmeister
Originalpublikation
Fricke J, Blei F, Hoffmeister D (2017) Enzymatic Synthesis of Psilocybin. Angew Chem Int Ed. doi: 10.1002/anie.201705489.
Informationen zum HKI
Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet modifiziert.
Das HKI verfügt über fünf wissenschaftliche Abteilungen, deren Leiter gleichzeitig berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut, darunter das anwendungsorientierte Biotechnikum als Schnittstelle zur Industrie. Gemeinsam mit der FSU betreibt das HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten etwa 400 Personen am HKI, davon 130 als Doktoranden.
Das HKI ist Initiator und Kernpartner großer Verbundvorhaben wie der Exzellenz-Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio) und ChemBioSys, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics sowie von InfectControl 2020, einem Konsortium im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Seit 2014 ist das HKI Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.
Ansprechpartner
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Friedrich-Schiller-Universität Jena
Pharmazeutische Mikrobiologie
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