Wertvoller Fund im Schlamm
HKI-Nachwuchsgruppe entdeckt neue Antibiotika
Von Tina Kunath
Jena. Petrischalen präpariert und GPS-Gerät eingepackt? Proviant nicht vergessen! Schon kann der mikrobiologische Wandertag starten. Markus Nett führte seine Forschungsgruppe dieses Mal in das nahegelegene Saaletal. Auf der Suche nach räuberischen Bakterien durchkämmte die Gruppe das Ufer. Was sie fanden war ein Stamm, der neue, vielversprechende Antibiotika produziert, die möglicherweise zur Behandlung von Krankenhausinfektionen eingesetzt werden können. Ihre Entdeckung wurde nun in der renommierten Fachzeitschrift Chemistry – A European Journal veröffentlicht.
In jedem Bodenkrümel kann man Bakterien finden. Während sich viele dieser Mikroorganismen von abgestorbenen Substraten ernähren, haben einige wenige gelernt, ihresgleichen als Nahrungsquelle zu nutzen. Um ihre Beute zu erlegen, produzieren die räuberisch lebenden Bakterien Antibiotika. Aus diesem Grund sind sie auch Forschungsthema der Nachwuchsgruppe von Markus Nett am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut in Jena. Die Gewinnung von räuberischen Bakterien ist jedoch nicht einfach. Nachdem die Bodenproben vom Saale-Ufer sicher ins Labor gebracht wurden, begann eine langwierige Phase der Aufarbeitung und Isolierung, bei der potentielle Krankheitserreger als Köder eingesetzt wurden. Ein räuberisches Bakterium, das auf diese Weise gefunden wurde, trägt den Namen Pyxidicoccus fallax und war besonders interessant. „Die Untersuchungen ergaben, dass der Stamm Antibiotika produziert, die eine große therapeutische Breite besitzen“, so HKI-Doktorand Sebastian Schieferdecker, der die neuen Wirkstoffe entdeckt hat. „Sie bekämpfen multiresistente grampositive Bakterien, ohne menschlichen oder tierischen Zellen zu schaden.“ Vielversprechend, denn grampositive Bakterien sind häufige Verursacher von Krankenhausinfektionen.
Die außergewöhnlich potenten Antibiotika, sie erhielten die Bezeichnung Gulmirecine, finden sich aber nicht nur in Jena. Zeitgleich haben Forscher des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) sowie des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig ähnliche Wirkstoffe in anderen räuberischen Bakterien entdeckt. Gemeinsam haben die Gruppen die Substanzen nun patentieren lassen und arbeiten an deren weiterer Erforschung.
Der Weg zum tatsächlichen Einsatz als Medikament ist jedoch lang, gibt Rolf Müller vom HIPS zu bedenken: „Wir konnten zeigen, dass der gefundene Stoff anders als bereits bekannte Antibiotika wirkt. Doch bis zur Testung ist es noch ein langer Weg und vermutlich wird eine Pharmafirma als Partner gefunden werden müssen.“ Markus Nett vom HKI: „Als nächsten Schritt werden wir Wirksamkeitsstudien in Tieren in die Wege leiten. Dann werden die neuen Antibiotika zeigen, was sie können.“
Bilder
Datei: Gulmirecin A.jpg
Bildunterschrift: Gulmirecin A, eines der vom Team um Markus Nett gefundenen neuen Antibiotika
Quelle: HKI/Schieferdecker
Datei: Markus_Nett.jpg
Bildunterschrift: Dr. habil. Markus Nett, Leiter einer Nachwuchsgruppe am Hans-Knöll-Institut, entdeckte mit seinem Team die neue Antibiotika-Gruppe der Gulmirecine.
Quelle: HKI/Anna Schroll
Datei: Sebastian_Schieferdecker.jpt
Bildunterschrift: Promotionsstudent Sebastian Schieferdecker befasst sich in seiner Doktorarbeit mit der Wirkstoffbildung bei räuberischen Bakterien.
Quelle: HKI/Ramm
Originalveröffentlichungen
Schieferdecker S, König S, Weigel C, Dahse HM, Werz O, Nett M (2014) Structure and biosynthetic assembly of gulmirecins, macrolide antibiotics from the predatory bacterium Pyxidicoccus fallax. Chemistry doi: 10.1002/chem.201404291.
Informationen zum HKI
Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet modifiziert.
Das HKI verfügt über fünf wissenschaftliche Abteilungen, deren Leiter gleichzeitig berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut, darunter das anwendungsorientierte Biotechnikum als Schnittstelle zur Industrie. Gemeinsam mit der FSU betreibt das HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten mehr als 380 Personen am HKI, davon 130 als Doktoranden.
Das HKI ist Initiator und Kernpartner großer Verbundprojekte wie der Exzellenz-Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, des Sonderforschungsbereiches/Transregio FungiNet, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics sowie von InfectControl 2020 – Neue Antiinfektionsstrategien, einem Vorhaben im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Seit 2014 ist das HKI Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.
Informationen zur Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 89 selbständige Forschungseinrichtungen. Deren Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante Fragestellungen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen intensive Kooperationen mit den Hochschulen ‑ u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi ‑, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 17.500 Personen, darunter 8.800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,5 Milliarden Euro.
Ansprechpartner
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Wissenschaftliche Organisation
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Adolf-Reichwein-Straße 23
07745 Jena
+49 3641 532-1011
+49 176 54909562
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www.leibniz-hki.de
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