Zielgerichtete Therapie gegen Pilzinfektionen
Erwin-Schrödinger-Stipendium verstärkt neuen Forschungsansatz
Jena. Krankheitserregende Pilze verursachen jährlich 1,5 Millionen Todesfälle. Fast die Hälfte dieser Fälle wird durch chronische oder invasive, tief in den Organismus eindringende Schimmelpilzinfektionen verursacht. Das renommierte Erwin-Schrödinger-Stipendium des österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) ermöglicht dem Pharmazeuten Thomas Orasch, diesem Problem am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – (Leibniz-HKI) auf den Grund zu gehen.
Infektionskrankheiten sind – wie uns aktuell sehr deutlich vor Augen geführt wird – ein wachsendes Problem für die Weltbevölkerung. Schwierig wird es vor allem dann, wenn Krankheitserreger schwer zu diagnostizieren und behandeln sind, so wie bei Pilzinfektionen. Trotz steigender Fallzahlen versterben je nach Grunderkrankung bis zu 95 % der an invasiven Pilzinfektionen leidenden Patienten.
„Das Forschungsprojekt von Thomas Orasch ist klinisch vielversprechend und befasst sich mit einem ungedeckten medizinischen Bedarf. Wir sind sehr erfreut, ihn am Leibniz-HKI begrüßen zu können. Sein Forschungsprojekt verstärkt erheblich unseren interdisziplinären Forschungsansatz“, so Institutsdirektor Prof. Axel Brakhage, der zudem einen Lehrstuhl an der Friedrich-Schiller-Universität Jena innehat. Er steht dem in Österreich promovierten Orasch während seines zweijährigen Aufenthalts in Jena als wissenschaftlicher Mentor zu Seite.
Neue Behandlungsmethoden entwickeln
„Neue Substanzen, die den Erreger abtöten, sind pharmakologisch oft problematisch und finden deshalb in der Klinik keine Anwendung“, erklärt Orasch. „Die Stoffe sind in ihrer Reinform häufig toxisch oder chemisch instabil.“ Diese pharmakologischen Eigenschaften möchte der Nachwuchswissenschaftler mit seinem Forschungsprojekt in Jena verbessern. Dafür nutzt er sogenannte Nanocontainer, also winzige Behälter auf Kunststoffbasis, die den Wirkstoff im Körper transportieren. Ziel sind Makrophagen, die Fresszellen unseres Immunsystems. Denn einige Erreger können von den Makrophagen nicht abgetötet werden, während sie sich gleichzeitig in diesen Zellen vor dem restlichen Immunsystem und Medikamenten „verstecken“. Der Pharmazeut wird deshalb untersuchen, ob sein Forschungsansatz den Makrophagen dabei helfen kann, diese Krankheitserreger unschädlich zu machen.
Die Erkenntnisse könnten nicht nur dazu führen, Pilzerkrankungen besser und gezielter zu behandeln. „Auch die Therapie anderer Krankheitserreger, die sich der Abtötung in den Makrophagen entziehen, könnten wir mit unseren Ergebnissen verbessern“, ergänzt Orasch.
Internationaler Austausch
Das Forschungsprojekt des engagierten Nachwuchswissenschaftlers knüpft am Standort Jena an den Sonderforschungsbereich „PolyTarget“ an, in dem Materialwissenschaftler und Biomediziner eng zusammenarbeiten, um neue Therapieoptionen für Infektionen und Entzündungen zu erforschen. Die Forscher*innen entwickeln Trägermaterialien, die pharmazeutische Wirkstoffe punktgenau an den Ort ihrer Bestimmung lotsen. 2022 kehrt der Stipendiat für ein Jahr an die Medizinische Universität in Innsbruck zurück, um das Projekt abzuschließen. Das Projekt trägt also zusätzlich zur internationalen Vernetzung bei.
Das Erwin-Schrödinger-Stipendium
Das Erwin-Schrödinger-Stipendium ist ein ehrenvolles Auslands-Stipendium, das in Österreich an junge hochqualifizierte Forscher*innen vergeben wird. Es fördert die Mitarbeit an führenden Forschungseinrichtungen im Ausland sowie den Erwerb von Auslandserfahrung in der Postdoc-Phase.
Bildunterschriften
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Der Pharmazeut Thomas Orasch erhält ein renommiertes Erwin-Schrödinger-Stipendium des österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung
Quelle: privat
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Sporenträger (Kondidiophor) von Aspergillus fumigatus. Der weit verbreitete Schimmelpilz kann beim Menschen lebensbedrohliche Infektionen verursachen.
Quelle: Jeannette Schmaler-Ripcke (Leibniz-HKI)
Das Leibniz-HKI
Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des Leibniz-HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet modifiziert.
Das Leibniz-HKI verfügt über sechs wissenschaftliche Abteilungen und vier Forschungsgruppen, deren Leiter überwiegend berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut, darunter das anwendungsorientierte Biotechnikum als Schnittstelle zur Industrie. Gemeinsam mit der FSU betreibt das HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten etwa 450 Personen am Leibniz-HKI, davon 150 als Doktoranden.
Das Leibniz-HKI ist Kernpartner großer Verbundvorhaben wie dem Exzellenzcluster Balance of the Microverse, der Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio), ChemBioSys und PolyTarget, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics sowie von InfectControl 2020, einem Konsortium im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Das Leibniz-HKI ist zudem Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.
Die Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 96 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften.
Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.
Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Die Leibniz-Institute unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.000 Personen, darunter 10.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das Finanzvolumen liegt bei 1,9 Milliarden Euro.
Ansprechpartner
Dr. Michael Ramm
Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut –
Adolf-Reichwein-Straße 23
07745 Jena
+49 3641 5321011
+49 176 54909562