Berauschender Erfolg
Christin Reimer erhält Wissenschaftspreis des Beutenberg-Campus
Amöben, die Cannabinoide produzieren: Zu diesem Thema hat Christin Reimer ihre Doktorarbeit am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI) verfasst. Für ihre Arbeit wurde sie jetzt mit dem Wissenschaftspreis des Beutenberg-Campus Jena e.V. für die beste Dissertation geehrt. Der Preis ist mit 1.000 Euro dotiert und wurde im Rahmen der "Noblen Gespräche" am 25. Mai 2023 feierlich verliehen.
Cannabis ist heute sprichwörtlich in aller Munde. Nicht nur die zunehmende Legalisierung des Cannabinoids Tetrahydrocannabinol (THC) in zahlreichen Ländern, vor allem der Bedarf in der Medizin sorgt für eine gestiegene Nachfrage nach einem reinen Wirkstoff in hoher Konzentration bei möglichst niedrigen Herstellungskosten. Diesen aus Cannabis-Pflanzen zu isolieren ist jedoch aufwendig, die chemische Synthese ist teuer.
Christin Reimer und ihr Team haben sich deswegen auf die Suche nach einem biotechnologischen Prozess gemacht, der zu einem Industrieverfahren ausbaufähig ist. Die Amöbe Dictyostelium discoideum bot sich als eine vielversprechende Kandidatin an, da sie selbst zahlreiche biosynthetische Gene zur Produktion von komplexen Naturstoffen besitzt. „Bei näherer Betrachtung der Gene ist uns aufgefallen, dass einige eine hohe Ähnlichkeit zu pflanzlichen Biosynthesegenen aufweisen“, so Reimer.
Als Doktorandin in einem von Falk Hillmann geleiteten Forschungsteam schaffte sie es, die Amöbe Olivetolsäure – eine Vorstufe des Cannabinoids THC – produzieren zu lassen. Dafür machte sie sich die natürlichen Eigenschaften der Amöbe zunutze und kombinierte das pflanzliche Enzym mit einem Enzym der Amöbe.
„Durch unsere Forschung haben wir gezeigt, dass die Amöbe Dictyostelium als biotechnologische Produktionsplattform für pflanzliche Naturstoffe genutzt werden kann“, so Reimer. Das Verfahren wurde bereits zum Patent angemeldet und wird laufend weiter verbessert. Reimer forscht inzwischen als Postdoktorandin im Biotechnikum des Leibniz-HKI daran, neben der Vorstufe auch die Endstufe, also THC, durch die Amöben produzieren zu lassen.
Medizinisch werden Cannabinoide vor allem bei chronischen Schmerzen, in Begleitung einer Chemotherapie gegen Übelkeit und Erbrechen oder bei Muskelkrämpfen zum Beispiel bei multipler Sklerose eingesetzt. Für die Herstellung von Medikamenten hat die Gewinnung von THC und anderen Cannabinoiden aus Cannabis-Pflanzen einige Nachteile: Der Gehalt der Wirkstoffe schwankt und der Aufwand für die Extraktion reiner Substanzen ist groß. Die gezielte Produktion in Bioreaktoren könnte hier Abhilfe schaffen. Wenn es gelingt, einen standardisierbaren Industrieprozess aufzubauen, ist eine hohe Ausbeute in vergleichsweise kurzer Zeit möglich. Außerdem kann genau kontrolliert werden, welche Substanz gebildet wird, sodass die Aufreinigung wesentlich einfacher ist.
Das Verfahren stößt daher weltweit auf enormes Interesse, vor allem seit es in einem der angesehensten Biotechnologie-Journale veröffentlicht wurde, Nature Biotechnology.
Die Technologie wird am Leibniz-HKI intensiv weiter erforscht und hat das Potential einer Firmengründung, weshalb das Projekt im Rahmen des GO-Bio-Programms des BMBF gefördert wird und ergänzend bereits zum zweiten Mal durch den Digital Innovation Hub Photonics des Beutenberg-Campus.
Wissenschaftspreise „Lebenswissenschaften und Physik“
Im Rahmen der „Noble Gespräche“-Veranstaltung im Frühjahr werden traditionell erfolgreiche Nachwuchswissenschaftler*innen mit den Wissenschaftspreisen „Lebenswissenschaften und Physik“ des Beutenberg-Campus Jena e.V. geehrt. In diesem Jahr fand die Preisverleihung am 25. Mai 2023 vor dem Vortrag von Professor Joseph Heitman, vom Department of Molecular Genetics and Microbiology am Duke University Medical Center in Durham, USA, statt. Er widmete sich den molekularen Determinanten genetischer und epigenetischer vererbbarer Merkmale. Die Veranstaltung wurde durch das Leibniz-HKI organisiert.
Der Beutenberg-Campus Jena e.V. verleiht seit 2005 einmal jährlich die Wissenschaftspreise, die hervorragende Forschungsarbeiten von Nachwuchswissenschaftler*innen des Beutenberg-Campus mit einen Bezug zum Campusleitgedanken: „Life Science meets Physics“ würdigen.
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