Noble Talks

Arzneimittel für morgen

Martin J. Lohse

Würzburg University / Technical University of Munich and ISAR Bioscience Institut, Planegg/München

Date and time

Location

Lecture hall Abbe Center Beutenberg

The talk will be given in German

Als Martin Lohse in seiner frühen Jugend ein Carl-Zeiss-Mikroskop geschenkt bekam, ahnte er noch nicht, wie sehr das seinen Lebensweg prägen sollte. Er wurde Humanmediziner, Pharmakologe und Toxikologe und erforschte die grundlegenden Mechanismen der zellulären Signalverarbeitung. Sein wissenschaftlicher Fokus lag schon früh im Bereich der  Arzneimittelforschung und besonders auf der Erforschung von Rezeptoren als Angriffspunkte für neuartige Arzneimittel gegen Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und des Nervensystems.In Deutschland stehen heute über  100.000 Arzneimittel zur Verfügung und trotzdem werden immer neue für bisher nicht behandelbare Krankheiten gebraucht und entwickelt.

Arzneimittel sind in aller Regel kleine Moleküle, die in spezifische Taschen von Proteinen passen, deren Funktion sie dann hemmen oder aktivieren können. Eine Reihe empirischer Regeln definieren, welche Stoffe gute Arzneimittel sein können: ihr Molekulargewicht sollte nicht höher als 500 sein und sie sollen weder sehr wasser noch sehr fettlöslich sein.
In den letzten Jahren sind zahlreiche Arzneimittel entwickelt worden, die nicht diesen klassischen Kriterien entsprechen: Moleküle, die nicht in kleine Taschen binden, sondern die Interaktion von Proteinen stören; Moleküle, die nicht die Funktion von Proteinen hemmen, sondern deren Abbau induzieren; große biologische Moleküle wie Antikörper. Hinzu kommen in jüngster Zeit Nukleinsäuren, die nicht nur für RNA-basierte Impfungen, sondern auch als Arzneistoffe Verwendung finden können. Und schließlich können als besonders teure Therapeutika lebende, oft auch gentechnisch veränderte, Zellen  eingesetzt werden.
Prof. Lohse wird in seinem Vortrag diese neuen Entwicklungen beleuchten und darstellen, wohin die Reise gehen kann. Er wird sich auch mit der Frage beschäftigen, welche der neuen Therapien in der Breite bezahlbar sind und welche eher nicht – und einen Ausblick wagen, welche Alternativen perspektivisch entwickelt werden könnten.­­

Martin Lohse, geboren 1956 in Mainz, studierte in Göttingen, London und Paris Medizin und Philosophie. 1981 promovierte er in Göttingen im Bereich Neurobiologie, bevor er sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Bonn und Heidelberg dem  Forschungsfeld der Pharmakologie und Toxikologie widmete, worin er sich 1988 an der Universität Heidelberg habilitierte. Danach ging er an das Howard Hughes Medical Institute der Duke University, Durham, USA, bis er 1990 nach München an das Genzentrum der LMU München und das MPI für Biochemie wechselte. 1993 übernahm er dann das Institut für  Pharmakologie und Toxikologie der Universität Würzburg, wo er sich ab 2001 auch als Gründungssprecher des Rudolf-Virchow-Zentrum/DFG-Forschungszentrum für Experimentelle Biomedizin verdient gemacht hat. Zwischen 2016 und 2019  wirkte er als Vorstandsvorsitzender und wissenschaftlicher Direktor am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in  Berlin. Seit Ende 2022 ist er als Seniorprofessor an der Universität Leipzig aktiv. Darüber hinaus übernahm er die Geschäftsführung der ISAR BIOSCIENCE GmbH, München/Planegg, die 2018 gegründet wurde, und sich zum Ziel  gesetzt hat, innovative Projekte ausfindig zu machen und Firmengründungen zu fördern. Martin Lohse gründete selber drei  Biotechnologiefirmen.

Prof. Lohse erhielt für seine herausragenden Verdienste auf dem Gebiet der Arzneimittelforschung zahlreiche internationale Ehrungen, darunter die höchste Auszeichnung in der deutschen Wissenschaft, den Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis der  Deutschen Forschungsgemeinschaft (1999) und den Ernst-Jung-Preis für Medizin (2000). Zudem wurde er 2002 mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und 2006 mit dem Bayerischen Verdienstorden geehrt. 2022 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Universität Glasgow zuteil. Der Pharmakologe ist Mitglied in vielen wissenschaftlichen Gesellschaften und Akademien, wie z. B. der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, deren Vizepräsident er 10 Jahre lang war, sowie der Academia Europaea und engagiert sich in  zahlreichen Beratungskommissionen von Regierungen und Ministerien, Fördereinrichtungen, Forschungseinrichtungen und  Universitäten. Als studierter Philosoph und langjähriges Mitglied des Nationalen Ethikrats nahm er den Dialog mit der  Öffentlichkeit zu strittigen und ethisch relevanten Themen auf, wie z. B. zu Tierversuchen, zur Gentechnik oder zum  Verhältnis von Wissenschaft und Religion.